Zwei Premieren in zwei Tagen: Ein Schauspieler liebt das Chaos
Teil 2 der Serie "Neuanfang an den Wuppertaler Bühnen": Gregor Henze startet mit einem Doppelschlag. Der 28-Jährige ist die neue Allzweckwaffe der Wuppertaler Bühnen.
Wuppertal. "Für mich ist Chaos eine Quelle der Kreativität." Das sagt ausgerechnet einer, der alles andere als chaotisch wirkt. Der überpünktlich zum verabredeten Interview kommt, ruhig und strukturiert antwortet, seine Gedanken ordnet und auch noch so höflich ist, sich sofort zu entschuldigen, wenn er auf die Schnelle die Rollen verwechselt.
Das kann durchaus vorkommen, denn Gregor Henze ist so etwas wie die neue Allzweckwaffe der Wuppertaler Bühnen. Wenn die Schauspiel-Saison am Freitag mit einem Paukenschlag - einer Uraufführung - eröffnet wird, geht ohne den 28-Jährigen nichts. Henze spielt die Hauptrolle und erlebt dabei eine wundersame Wandlung: Er startet als Gelegenheits-Jobber und wird über Nacht zum vermögenden Erben. Reich wird allerdings nur die Figur, die er verkörpert.
"Eine Billion Dollar" ist aber nur der Anfang. Gleich am nächsten Tag geht das Theater weiter: "Der futurologische Kongress" ist die zweite Inszenierung, mit der sich der Neu-Wuppertaler im Kleinen Schauspielhaus vorstellt. Lange warmlaufen kann sich der passionierte Jogger nicht. Zwei Premieren in zwei Tagen: "Das wird ein Kraftakt" - da ist sich Henze sicher.
Die doppelte Herausforderung geht der Läufer, der gerade erst den Mirker Hain für sich entdeckt hat, aber natürlich nicht aus dem Stand an: Seit Juli wohnt er in der Nordstadt und probt mit zwei Regisseuren, die er bereits kennt. Mit Christian von Treskow ("Eine Billion Dollar") und Eike Hannemann ("Der futurologische Kongress") hat er schon zusammengearbeitet, als er noch zum Ensemble in Erlangen gehörte.
Dass er als Hamlet ausgezeichnet war, hat ihm eine Jury sogar offiziell bestätigt: Christian von Treskows "Hamlet"-Inszenierung bekam 2008 den Bayerischen Theaterpreis. Henze erzählt es fast bescheiden - als käme es nicht auf Preise, sondern nur aufs Spielen an.
"Ich wollte schon als Fünftklässler in die Theater-AG unserer Schule. Aber da war ich noch zu jung. Die Lehrerin wollte, dass ich erstmal in die Singspiel-Gruppe gehe", verrät Henze, dem das Schauspiel-Gen nicht gerade in die Wiege gelegt wurde. Seine Mutter ist Grafidesignerin, sein Vater Sozialarbeiter in einer Jugendzvollzuganstalt. In die Theater-AG schaffte er es trotzdem - im "reiferen" Alter.
Der richtige Schritt, wie der Jogger heute weiß: "Mir hat das Spielen immer Spaß gemacht. Wenn es gelingt, kommt man in einen ganz merkwürdigen Zustand. Man kann Dinge tun, die man sich privat nie erlauben würde - für die man vielleicht nicht genug Mut hätte."
Nun hat er den Mut, direkt mit einer Uraufführung zu starten. Das kann er mit dem guten Gefühl, die entscheidenden kreativen Köpfe bereits zu kennen, mit denen er nun zum Doppelschlag ausholt. Trotzdem: Chaos kann er sich in diesen Tagen nicht erlauben. Dafür sind die Rollen, auf die er sich parallel vorbereitet, zu unterschiedlich. "Eine Billion Dollar" lässt ihn zum Pizzafahrer werden, der mit einer Erbschaft überfordert ist. "Der futurologische Kongress" macht aus ihm einen Unternehmer, der sein Geld mit Tabletten macht, die Gewaltphantasien erzeugen.
Bei allen Unterschieden haben die Produktionen etwas gemeinsam: Sie sind Literaturbearbeitungen. Und genau das findet Henze spannend: "Wenn Rollen nicht so klar festgelegt sind, gibt es uns das viel Freiheit."
Womit wir wieder beim Chaos wären, das am Ende doch zu einem Künstler passt, der von sich selbst sagt, kein großer Planer zu sein, aber sichtlich zufrieden wirkt mit dem, was er bisher "ungeplant" ausprobieren konnte: "Das Schauspielhaus ist ein Labor, in dem man Phantasien ausleben kann. Ich mag Proben und das Herumbasteln an Szenen. Theater ist Teamarbeit und muss sich entwickeln." Im Idealfall also auch aus dem Chaos.