Wuppertal liest: Als Färben Knochenarbeit war

Bei einem Rundgang durch das Ausbildungszentrum der Rheinischen Textilindustrie standen sich bei „Wuppertal liest“ Vergangenheit und Gegenwart gegenüber.

Barmen. In der Zeit, in der Christiane Gibiec’ "Türkischrot" spielt (1845), war Kinderarbeit durchaus üblich. Aber nicht nur der kleine August muss für die daheim webende Mutter Garn spulen, bis er "vor Schwäche vom Schemel" fällt. Auch die Arbeit als Färber, wie sie Samuel und Max verrichten, ist mit "Knochenarbeit" offensichtlich euphemistisch umschrieben. Anlässlich "Wuppertal liest" gab es am Montagabend einen Termin zur Ortserkundung.

Schauplatz waren Textilsaal und Färbelabor im Ausbildungszentrum der Rheinischen Textilindustrie, übrigens einem Gebäude aus dem Jahr 1900. Vor dem erlesen Kreis von bloß acht Zuhörern, darunter Mit-Organisator Michael Okroy, las zunächst Judith Genske zur Einstimmung eine Passage aus Giebiec’ Buch, ehe Andrea Milunovic übernahm.

"Definitiv wird so heute nicht mehr gefärbt", kommentierte die Ausbildungsleiterin die Lesepassage. Zwar gibt es die im historischen Krimi beschrieben Berufe noch immer, allerdings heißen sie heute anders. Was im Vormärz noch "Bandweber" genannt wurde, ist nun der Maschinen- und Anlagenführer Textiltechnik, der "Färber" heißen heute "Produktionsveredler".

Überwiegend sind es junge Männer, die sich zu diesen Jobs ausbilden lassen. "Von 21 Azubis sind drei Frauen. Das ist das übliche Bild." "Die Färbereien machen so gute Geschäfte, weil nur ganz wenige Leute wissen, wie die Farbe angesetzt wird", erklärt Hauptperson Rieke Blum im Buch. Auch das ist natürlich längst passé.

Damals wurde der Farbstoff aus Alizarin, das in der Wurzel von Färberkrapp vorkam, gewonnen. Die zu bearbeitenden Baumwollstränge wurden beispielsweise mit Tournantöl - gerne aus Kuhmist gewonnen - "geschmeidiger" gemacht.

"Heute sind das schnelle industrielle Prozesse." Und Ida und Samuels Idee, jemand ins Türkischrotfass zu werfen, um ihn darin gar zu kochen (und so zu töten) wäre heute unmöglich. Längst sind in diesem Färbeprozess krebserregende Stoffe nachgewiesen worden und deshalb vom Markt verschwunden. Auch der Maschinenpark, an dem im Ausbildungszentrum heute gearbeitet wird, hätte dem "Türkischrot"-Personal Freudentränen aus den Augen tropfen lassen.

Mit Lochkarten werden Garn- und Farbinformationen an die Maschinen gegeben, die über 1142 separat steuerbare Fäden in flotter Einschusstechnik verweben. So entstehen noch heute Kordeln, Bänder und Litzen, die bereits im Vormärz feine Frauen der Gesellschaft schmückten.

Überwiegend werden die temporeichen Maschinen allerdings zur Fabrikation von Schnürsenkeln, Feuerwehrschläuchen, Fahnen- oder Flaggenstoffe genutzt. Davon hätten August, Samuel und Max nicht einmal zu träumen gehofft.