Zettelwirtschaft im Museum: Finckh arbeitet am Sisley-Menü

Wie entsteht eine Ausstellung? Gerhard Finckh profitiert von Zufall und Erfahrung.

Wuppertal. Wie man Meisterwerke nach Wuppertal bekommt? Gerhard Finckh kennt die unterschiedlichsten Methoden. Die ungewöhnlichste dürfte diese sein: „Bei einem Abendessen im Rahmen der Bonnard-Ausstellung hat mir ein Privatsammler voller Freude erzählt, dass er einen ganz tollen Sisley besitze.“

Der Leiter des Von der Heydt-Museums hat womöglich nicht die Gabel fallen lassen (zumindest nicht auffällig), aber prompt die Ohren gespitzt. Denn nicht nur Liebe geht durch den Magen. Neben Beziehungen können auch Ausstellungen am Esstisch entstehen. Zumindest hat Finckh die Chance genutzt und sofort die Verhandlungen aufgenommen.

Inzwischen steht fest: Das Gemälde des Privatsammlers, das das Ufer der Loing bei Moret zeigt, ist ab dem 13. September am Turmhof zu sehen — als Blickfang einer Ausstellung, die es in dieser Form in Deutschland noch nicht gegeben hat.

Schon jetzt gibt es große Kunst in kleinen Häppchen: Die Fotos und weißen Zettel, die auf einer Pinnwand in Finckhs Büro hängen, zeigen, wie die Sisley-Schau langsam, aber sicher Form annimmt. Welche Bilder hätte Finckh gerne, welche Werke sind bereits zugesagt, welche Antworten angefragter Museen stehen noch aus? Die Zettelwirtschaft hat System, denn Finckh arbeitet in gewisser Weise wie ein Sternekoch: Das Sisley-Menü, das er auf der Wand hinter seinem Schreibtisch anrührt, soll eine unvergleichliche Note erhalten und gut gewürzt sein — mit Leihgaben aus aller Welt.

„80 bis 100 Gemälde“ möchte der Hausherr am Ende auf dem Präsentierteller servieren. „Wie viele es genau werden, hängt vom Rücklauf ab“, erklärt Finckh, der zuversichtlich ist, seinen Gästen einen opulenten Augenschmaus auftischen zu können. „In den kommenden Wochen müssten eine Menge Zusagen kommen.“

Die Weichen hat er bereits gestellt: Nach Frankreich, Schweiz und England ist Finckh gereist, um bei Museumskollegen an Türen zu klopfen, hinter denen sich Sisley-Schätze verbergen. Die berufsbedingte Bittstellerei kennt er aus dem eigenen Betrieb: Ein persönliches Gespräch kann manchmal Wunder bewirken — erst recht, wenn es um Millionen schwere Meisterwerke geht.

So musste mancher Kollege erst einmal schwer schlucken, als Finckh fragte, ob er ein Sisley-Bild nach Wuppertal entführen dürfe. Oft wird die Nachricht besser verdaut, wenn im Gegenzug eine Belohnung winkt.

Denn das Tauschgeschäft blüht auf französischem Terrain genauso wie auf britischem Boden. „Birmingham zum Beispiel hat keine so große Impressionisten-Sammlung wie wir“, betont Finckh. „Deshalb habe ich angeboten, die Lücke, die in England entsteht, solange wir ein Sisley-Bild ausleihen, mit einem unserer Impressionisten zu füllen.“ So könnten beide Seiten profitieren.

Bis es so weit ist, muss jedoch hart verhandelt werden. Denn ein Zufall wie das Gespräch mit dem Privatsammler ist die Seltenheit, der Rest ist akribisch geplant und dreht sich um die Frage: Welche Werke gibt es überhaupt, und wo befinden sie sich?

Als erstes wird das Werksverzeichnis studiert, dann der Koffer gepackt. Die Reisen nach Frankreich, wo Sisley als Sohn englischer Kaufleute zur Welt gekommen ist, und England, wo er oft zu Besuch war, scheinen ihren Zweck zu erfüllen: „Die Zusage aus Lausanne ist schon sicher“, sagt Finckh voller Vorfreude. Nun hofft er vor allem auf Birmingham und Glasgow.

Wer an der Pinnwand ganz genau hinsieht, kann bereits erkennen, dass einige Bilder sehr ähnlich aussehen. Kein Wunder: Während in der Monet-Schau die Kathedrale von Rouen in verschiedenen Varianten zu sehen war, möchte Finckh nun unterschiedliche Ansichten der Dorfkirche von Moret-sur-Loing vereinen und nebeneinander hängen — die Kirche war eines der Lieblingsmotive des Franzosen.

„Sisley hat gegenüber Renoir und Monet den Nachteil, dass er früh gestorben ist. Er wurde nur 60 Jahre alt. Monet und Renoir haben damals zur Jahrhundertwende einen enormen Aufschwung auf dem Kunstmarkt genommen. Auch Sisley hätte davon profitieren können“, erklärt Finckh, für den dies allerdings auch ein Vorteil ist: Weil andere Impressionisten bekannter waren, wurden ihre Werke häufiger ausgestellt. So wird Finckh der erste „Kunst-Koch“ sein, der eine umfassende Sisley-Ausstellung auf deutschem Boden kredenzt.