Lügen quer durch Wuppertal: Die etwas andere Stadtrundfahrt

Olaf Reitz und Thomas Beimel wollen Wuppertals Flunker-Könige werden: Sie versprechen eine Rundfahrt mit viel Theater.

Wuppertal. Man stelle sich das einmal vor: Lokalpatrioten und solche, die es werden wollen, buchen in ehrlicher Vorfreude eine Rundfahrt durch Wuppertal, folgen gebannt den Schritten und Ausführungen einer Stadtführerin — wissen aber gar nicht, ob die Geschichten, die die Dame mit schauspielerischer Überzeugungskraft zum Besten gibt, wirklich wahr oder maßlos übertrieben sind.

Ungelogen: Olaf Reitz und Thomas Beimel macht ihr neuestes Projekt sichtlich Spaß. Mit viel Phantasie malen sie sich jetzt schon aus, wie ihre Gäste reagieren werden, wenn sie sich 90 Minuten lang auf dem schmalen Grat zwischen Realität und Illusion befinden. Denn das ist die Wahrheit: Der Schauspieler und der Komponist wollen ihr Publikum ganz gezielt auf eine falsche Fährte locken. „Wir bewegen uns zwischen Fakten und Fiktion“, sagen die beiden Künstler und meinen ein Pilotprojekt.

Die beiden Wuppertaler arbeiten schon seit Jahren zusammen. Doch was sie derzeit aushecken, soll die Stadt noch nicht gesehen haben: Ab Mai 2012 wollen sie Rundfahrten anbieten, „die in kleiner und charmanter Form als Musiktheater konzipiert sind“.

Wie sie darauf gekommen sind? „Wir haben in Berlin eine Schiffstour gemacht“, erzählt Beimel. „Wir haben uns angeschaut, gelacht und beide dasselbe gedacht: Vielleicht ist das Ganze ja Theater. Wer weiß schon, ob uns der Kapitän die Wahrheit sagt?“

Nun gibt das Duo selbst den (Flunker-)Kurs vor: Start und Ziel der etwas anderen Stadtrundfahrt soll die Schwebebahnhaltestelle Ohligsmühle sein. Von dort geht es im historischen Bus von Station zu Station — vorbei an Engelshaus, Farbmühle, Bismarckturm und Kerstenplatz. Mittendrin statt nur dabei ist eine Schauspielerin, die sich als Stadtführerin verkleidet und spitzbübisch Anekdoten erzählt.

Dabei sollen sich ihre Gäste nicht nur entspannt zurücklehnen. Wer will, kann seine Stimme erheben, Arbeiterlieder singen oder eine Begegnung zwischen Udo Lindenberg, Erich Honecker und Johannes Rau nachspielen. Mit anderen Worten: Beimel und Reitz versprechen viel Theater.

Damit ihr Wunsch Wirklichkeit wird, haben die beiden Organisatoren — auf drei Jahre gerechnet — 45 000 Euro beim Land beantragt. Nach Vorgesprächen, ersten Rückmeldungen und jahrelanger Vorarbeit sind sie guter Hoffnung, die Fördermittel im Sommer tatsächlich bewilligt zu bekommen. Zumal das Projekt ein bergisches ist: Wuppertal ist erst der Anfang, entsprechende Touren möchte das Duo auch in den Nachbarstädten ins Rollen bringen. 2013 soll es eine Stadtrundfahrt in Solingen geben, 2014 dürfte Remscheid folgen.

Über allem steht die Idee, dass sich die Gäste der Rundfahrt aktiv einbringen können — und nicht nur sie. Schon jetzt sind alle Bürger aufgerufen, „am Bild der Stadt mitzuwirken“. Wie das gehen könnte? „An der Farbmühle beispielsweise behaupten wir, dass wir den historischen Tanz der Färber wiederentdeckt haben“, verrät Beimel. Die passenden Töne wird der Komponist (natürlich) selbst liefern. Nun sucht er eine Fanfarengruppe, die seine Musik einspielen möchte — damit Busfahrer und Stadtführerin den Tanz am Ende augenzwinkernd vorführen können. Auch eine Pop-Version des Wuppertal-Lieds erwartet die Gäste.

„Wer arm ist, muss sich immer wieder neu erfinden“, sagt Reitz mit Blick auf die Stadtkasse. Ein Glück also, dass Wuppertals Kulturszene reich an Ideen ist. So hoffen die selbst ernannten Flunker-Könige, dass sich viele Künstlerkollegen am Projekt beteiligen und Handwerker ein kleines Präsent beisteuern, das während der Tour verteilt werden soll — damit die Rundfahrer neben allerlei Unfassbarem auch etwas Handfestes mit nach Hause nehmen können.