Medienprojekt: Mit der Kamera stets dicht dran

Wie das Medienprojekt junge Filmemacher an schwierige Themen heranführt.

Wuppertal. Ihre Themen sind unbequem. Sie bohren da nach, wo sich sonst niemand nachzufragen traut. Sie drücken den Finger in Wunden und sprechen offen aus, worüber man sonst nicht spricht. Haben Behinderte Sex? Wie ist es, wenn Kinder Krebs haben und wissen, dass sie sterben müssen? Und was treibt Jugendliche an, die sich mit Scherben und Rasierklingen die Unterarme blutig ritzen?

Andreas von Hören, Sozialpädagoge beim Medienprojekt

Es gibt kaum ein Thema, dem sich Andreas von Hören und sein Medienprojekt noch nicht angenommen haben. 130 Filme produziert der gemeinnützige Verein pro Jahr. Rund 800 Jugendliche wirken jährlich daran mit. „Damit sind wir die größte Nachwuchs-Filmeinrichtung in Deutschland“, sagt der 51-Jährige. Etwas Vergleichbares, sagt er, gibt es nicht. Auch nicht in Köln oder Berlin.

Andreas von Hören ist mit Herzblut bei der Sache. Er selbst hat das Medienprojekt vor fast 20 Jahren gegründet. Im Herbst feiert das Team Geburtstag. „Es ist mein Leben, ein Stück weit“, sagt der Sozialpädagoge. Dabei waren es seine persönliche Begeisterung für den Film und das, was man damit ausdrücken kann, die ihn angetrieben haben.

Der klassische Pädagogik-Gedanke, Jugendliche von der Straße zu holen, damit sie keinen Mist bauen, steht hier nicht im Vordergrund. „Es geht um die Filmkunst, die Lust am Film“, beschreibt von Hören. Es geht darum, Jugendlichen und ihren Problemen Aufmerksamkeit zu schenken. „Viele haben das Gefühl, dass die Gesellschaft sie nicht ernst nimmt, dass sie nicht auffallen, es sei denn, sie machen irgendeinen Blödsinn.“ Über prügelnde Täter werde berichtet, über die Opfer nicht. „Gerade Film ist eine gute Möglichkeit, über Schwierigkeiten in der Gesellschaft zu sprechen.“

Ein großer Teil der beim Medienprojekt produzierten Filme sind Kurzfilme. Drei hauptamtliche und 25 freie Mitarbeiter — Pädagogen und Filmemacher — unterstützen von Hören und die Jugendlichen, erklären den Umgang mit der Kamera, wie man Szenen gut einfängt, und helfen beim Schneiden der Szenen. Acht feste und einige mobile Schnittplätze stehen zur Verfügung. Es gibt 20 Kameras. Von Hören: „Es wird bei allen so unterstützt, dass es aussieht wie ein echter Film.“

Einen kleineren Teil der Produktion machen Dokumentarfilme aus; die mit den unbequemen Themen. Je nach Thema sucht das Medienprojekt mit deutschlandweiten Kampagnen nach Betroffenen, die über ihre Probleme reden wollen. Dabei hat jeder Mitspracherecht, darf vor oder hinter der Kamera stehen, muss nur so viel zeigen und erzählen, wie er will.

Derzeit sucht das Team Jugendliche, deren Eltern alkoholabhängig sind. Man sollte meinen, dass sich auf solche Aufrufe niemand meldet. „Sowas erzählt man nicht, das ist peinlich als Jugendlicher. Man will nicht auffallen durch etwas, das nicht gut läuft.“ Doch es melden sich Betroffene — immer wieder. Der Grund: „Die Jugendlichen sind ehrlich, erzählen ihre Geschichten ehrlich.“ Der Film habe eine besondere Kraft: Tabus werden gebrochen. „Ich rede darüber, deshalb könnt ihr auch darüber reden“, umschreibt das von Hören.

Für die 14- bis 26-jährigen Nachwuchs-Filmemacher ist es dann ein ganz besonderes Gefühl, wenn ihre Produktionen das erste Mal zu sehen sind — wie am Mittwoch, 25. April, im Cinemaxx. Alles ist dunkel, sie sehen ihren Film auf einer riesigen Leinwand. Bester Ton, bestes Bild, die volle Aufmerksamkeit des Publikums und deren Reaktion: meist tosender Applaus.