Urbane Gärten Mehr Grün, mehr Luft, mehr Insekten: Netzwerk für urbane Gärten legt Beete an

Wuppertal · Fenchel, Minze, Rosmarin: Die Initiatoren des Insel-Kulturgartens entsiegeln weitere Betonflächen hinter dem Café Ada

Gemeinsam geht es besser: Auf dem bislang versiegelten Gelände des Café Ada setzen Michael Felstau und seine Mitstreiter Hochbeete an.

Foto: Anna Schwartz

Michael Felstau ist Experte für urbane Gärten. Explizit angelegte Grünflächen und Beete in dicht bebauten Gebieten werden immer beliebter – und vor allem notwendiger. Zusammen mit Uta Atzpodien und Franziska Hartmann leitet er die Gestaltung des sogenannten Insel Kulturgartens hinter dem Café Ada an der Wiesenstraße. Die Fläche ist bislang größtenteils mit Betonplatten versiegelt. Das nimmt der Natur Raum und damit auch Insekten die Lebensgrundlage. Unweit der Außenterrasse des Cafés entstand daher am Freitag in einer Gemeinschaftsaktion ein Hochbeet, in das die Teilnehmer vielfältige Pflanzen wie Fenchel, Erdbeeren, Minze und Rosmarin einsetzten.

Das Projekt hatte im April dieses Jahres begonnen (die WZ berichtete). Ziel der Gemeinschaftsgärten ist es zu zeigen, was im urbanen Raum an Klimaschutz möglich ist. Gleichzeitig dienen sie auch der Aufklärung. „Tiere und Pflanzen haben eine Koevolution“, erklärt Michael Felstau. „Sie entwickeln sich gemeinsam und sind voneinander abhängig. Wenn also entsprechende Futterpflanzen fehlen oder Standorte, an denen Insekten wie Schmetterlinge ihre Eier ablegen können, gehen auch die Tiere zugrunde.“ Man dürfe nicht nur auf gezüchtete Blütenpflanzen schauen, sondern müsse auch dem Wildwuchs eine Chance lassen – etwa der Brennnessel, die eine „tolle Futterpflanze“ für Raupen sei.

Insektensterben zeigt sich als Problem, das sich nicht nur auf großstädtische Regionen beschränke: „Es wird auch in Naturschutzgebieten registriert.“ Die Strategie von Monokulturen und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wirke sich großflächig aus.

Sichtbar sei für viele Bürger auch in Wuppertal aber oft nur das, was die Dürre bei den Pflanzen hinterlasse: „Zurzeit bemerken wir aufgrund der Hitzeperioden wieder, dass viele Wiesen total gelb sind. Das sieht nicht schön aus, ist aber unter den Klimaumständen normal.“ Gräser könnten damit umgehen: „Die sind nicht abgestorben, sondern warten, bis der Regen wiederkommt“. Wer sich aus ästhetischen Gründen an der erzwungenen „Sommerpause“ der Gräser störe, könne auf Wildkräuter zurückgreifen. „Sie haben tiefere Wurzeln und kommen an das Wasser in tieferen Schichten.“ Daraus entstehe zwar kein Rasen, sondern eine Wiese. „Aber auch die lässt sich so schneiden, dass Wege und Sitzplätze entstehen“. Für die Biodiversität ein Gewinn.

Felstau wirbt für die bundesweit angelegte Petition „Mehr Artenvielfalt im öffentlichen Grün“ und hält auch eine Petition für die Kommune für notwendig. Das Insektenschutzprogramm der Stadt sei zwar ein Baustein, Grünflächenamt und Untere Naturschutzbehörde müssten sich aber besser verständigen, um die ökologische Pflege von Grünflächen zu definieren. Dennoch sieht er auch positive Entwicklungen: So habe er beobachtet, dass auf dem Mittelstreifen der B7 nicht mehr so häufig gemäht werde wie früher. „Da lässt man auch mal etwas wachsen“. Natürlich gebe es Bürger, die dies melden. Deshalb habe auch die Stadt die Aufgabe, das Verständnis der Wuppertaler für den Klimaschutz zu erhöhen. „Die Diskrepanz zwischen individuell erwogener Schönheit von Natur und deren Nutzen ist ein Prozess, den man aushalten muss.“

Zufahrt für die Feuerwehr
muss gewährleistet bleiben

Andererseits müsse manche Maßnahme aufgrund ihrer bürokratisch anmutenden Beflissenheit neu gedacht werden: „Wenn die Verwaltung beispielsweise Firmen beauftragt, sechsmal im Jahr städtische Rasenflächen zu mähen, dann aber Mähzeiten in den Trockenphasen liegen und die Flächen trotzdem gemäht werden, ist das unsinnig. Da fehlt die Flexibilität, adäquat auf Wetter und Zustand zu reagieren.“ Gleichzeitig müsse auch der Bürger seine Stadt aktiv unterstützen. Neben den Gemeinschaftsgärten sei ein Patenschaftskonzept sinnvoll, bei dem Anwohner vor ihren Häusern etwa Baumscheiben pflegen. An der grauen Mauer des Kulturzentrums Ada hob die Initiative ein weiteres Hochbeet aus – hier allerdings mit Bodenkontakt, damit sich unter anderem Regenwürmer bei Kälte in den Boden zurückziehen können. Dort werden in Kürze Gemüsepflanzen, Obst und Beerensträucher angesetzt „Vielleicht auch ein Kiwibaum“, überlegt Felstau. Für die Neugestaltung mussten Platten verschwinden. Mehr als zwei Dutzend wurden mithilfe von Metallstangen und Spaten entfernt, um dem Boden wieder Luft zu gönnen. Uta Atzpodien sieht in dem „Aufbrechen“ eine große Symbolik. Allerdings musste die Initiative auf die Menge und die Position achten, denn das neue Hochbeet liegt an der Feuerwehrzufahrt. Das erklärt auch, warum die Steine zehn Zentimeter dick sind.

Die Ideen gehen Michael Felstau nicht aus: Als nächstes soll eine Wand durch Stockrosen und Malven erweitert werden. Auch der Container im hinteren Bereich des Geländes wird begrünt – auch auf dem Dach. Dort lagern unter anderem Stühle und Material für die Bühne des Kulturzentrums.