Klima Naturschutzbeirat kritisiert die Ausweisung neuer Gewerbepotenzialflächen in Wuppertal

Wuppertal · Die sechs Potenzialstandorte befinden sich an der Schmiedestraße, im Bereich Jägerhaus/Linde, auf Lichtscheid-Süd, am Dorner Weg, am Aprather Weg und in Schöller-West.

Anwohner und Eigentümer am Aprather Weg fürchten um ihre Naturidylle.

Foto: JA/Andreas Fischer

Die Benennung von sechs sogenannten Gewerbepotenzialflächen im Wuppertaler Stadtgebiet, die bei Bedarf zur Neuansiedlung oder Erweiterung von Unternehmen in Frage kommen könnten, hat seit Mitte Mai für einige Aufregung gesorgt. Die sechs Potenzialstandorte befinden sich an der Schmiedestraße, im Bereich Jägerhaus/Linde, auf Lichtscheid-Süd, am Dorner Weg, am Aprather Weg und in Schöller-West. Insbesondere Anwohner und Eigentümer am Aprather Weg protestieren vehement gegen die Pläne der Stadtverwaltung, auf einer 55 Hektar großen Fläche südlich der Straße ein potenzielles Gewerbegebiet auszuweisen. Nun meldet sich auch der Naturschutzbeirat mit erheblichen Bedenken gegen das Vorgehen der Stadt zu Wort.

„Die Erzeugung regionaler Lebensmittel wird verdrängt“

Helmut Wuttke, der den Beirat der Unteren Naturschutzbehörde – so der volle Name – erklärt in einer Stellungnahme namens des Gremiums (siehe Infokasten), dass der Beirat für die benannten Flächen voraussichtlich keine Befreiung erteilen werde. „Die Flächen gehen für eine landwirtschaftliche Nutzung verloren. Diese sind aber notwendig für die Versorgung der Menschen mit regional erzeugten Lebensmitteln“, erklärt Wuttke. Eine industrielle Nutzung der Flächen stehe dem entgegen, schränke die Landwirtschaft ein oder verdränge sie dort ganz. „Der Zeitraum zur Bildung von einem Zentimeter fruchtbarem Boden beträgt 100 Jahre. Gewerbeflächen versiegeln unwiederbringlich lebendige und fruchtbare Böden, die einen Lebensraum für unzählige Organismen darstellen“, führt Wuttke aus. Durch Versiegelung gehen Versickerungsflächen und damit Wasserspeicher verloren, wie er mit Blick auf die Hochwassergefahr nach Starkregen schildert. Der natürliche Kreislauf mit Versickerung und Verdunstung des Wassers werde durch Gewerbe gestört, ebenso der Gas-Austausch des Bodens mit der Atmosphäre. Artenvielfalt von Flora und Fauna, das Kleinklima der Stadt mit ihren Kaltluftschneisen gingen dadurch verloren. „Und schließlich zerstören Gewerbeflächen Erholungsräume in der freien Natur“, mahnt Wuttke der für den Fischereiverband NRW im Beirat sitzt.

Die noch vorhandenen acht Hektar an Vorhalteflächen für Kompensationsmaßnahmen zum biologischen ausgleich von Eingriffen in die natur, sind bereits durch laufende Projekte gebunden, weiß Wuttke. „Es wird deshalb vorgeschlagen, Kompensationsflächen im Bergischen Land oder im Sauerland zu suchen.“ Wenn dabei aber wiederum landwirtschaftliche Flächen in Anspruch genommen würden, stünden weitere Flächen nicht mehr für die Ernährung der Menschen zur Verfügung, würden weitere landwirtschaftliche Betriebe um ihre Existenz gebracht. Probleme des Wasserhaushalts und des Kleinklimas in Wuppertal und der Region können laut Wuttke nicht durch fernab liegende Flächen kompensiert werden.

In Deutschland würden pro Tag 50 Hektar Boden versiegelt und damit für die Ernährung des Menschen verloren gehen. „Dass trotzdem in Deutschland kein Mensch verhungert, liegt daran, dass wir uns aufgrund unserer Kaufkraft auf den Böden anderer Länder mit Lebens-, Genuss- und Futtermitteln versorgen. In diesen Ländern wird dadurch die kleinbäuerliche Landwirtschaft vor Ort zerstört und viele Menschen dort leiden unter Hunger. Sie machen sich auf den Weg in die wohlhabenden Länder der Erde.“ In vielen Ländern im subtropischen Bereich wie auch Spanien und Italien fallen laut Wuttke landwirtschaftliche Flächen durch die Klimaerwärmung der Desertifikation zum Opfer. Die Folge: Austrocknung, Dürre, Wüstenbildung. Der Import von Soja aus tropischen Regenwäldern als Futtermittel für die Masttierhaltung führe zur Zerstörung dieser Wälder: „Damit tragen wir zur fortschreitenden Klimaerwärmung bei. Insofern ist es aus global-sozialer Sicht unverantwortlich, weitere Böden in Deutschland durch eine fortschreitende Ausweisung von Gewerbeflächen zu zerstören.“