Radspur am Wall Lob, aber auch viel Kritik in den Ärztehäusern
Zentrum. · Freude über weniger Autoverkehr — gleichzeitig gibt es Nachteile für die Patienten.
Hausärzte, Urologen, Chirurgen & Co.: Der Wall ist fast eine Ärztemeile und unter den Medizinern und Angestellten sind die Meinungen zur neuen Radspur durchaus geteilt.
Frauenarzt Jochen Langwasser arbeitet im Uro-Gyn-Zentrum Wall, einer Gemeinschaftspraxis mit Urologie und Frauenheilkunde. „Spezielle Beschwerden zu dem neuen Radweg auf dem Wall sind mir nicht bekannt geworden“, sagt er. Dafür habe er Vorteile ausgemacht. „Vielmehr ist die Verkehrsbelastung mit Auto etwas weniger geworden. Im Vergleich zu früher, als die Buslinien auf dem Wall in beide Richtungen fuhren, ist es eine deutliche Verbesserung.“
Was die Erreichbarkeit seiner Praxis angeht, sieht er kaum Nachteile. „Am Wall halten sehr viele Buslinien, so dass wir mit dem Bus sehr gut zu erreichen sind.“ Die Taxis könnten auf der gegenüberliegenden Straßenseite in Sichtweite parken. Außerdem gebe es Parkbereiche für schwerbehinderte Menschen, ebenfalls in Sichtweite.
„Wenn dieser Weg für geh-eingeschränkte Menschen auch noch zu weit ist, kann das Taxi auch kurz auf der Straße halten, um ein Aus- oder Einsteigen zu ermöglichen, wie in jeder anderen Straße auch. Dieses muss aber nicht zwingend auf dem Fahrradstreifen erfolgen“, sagt Langwasser und verweist auf die Straßenverkehrsordnung. „Die Befürchtung, dass Patienten wegbleiben oder wechseln, habe ich nicht“, betont der Frauenarzt.
Dass die neue Regelung durchaus Thema in den Wartezimmern ist, bestätigt eine Sprechstundenhilfe, die in einer anderen Praxis arbeitet. „Viele Patienten schimpfen und sagen, dass sie schwerer zu den Praxen gelangen. Das gilt natürlich vor allem für Patienten, die nicht so mobil sind“, sagt die Frau. Regelmäßig werde kontrolliert, Stadt und Polizei seien oft vor Ort, um Vergehen gegen das Halteverbot zu ahnden. Was sie bislang aber selten bis gar nicht sehe: „Fahrradfahrer.“ Durchaus positive Stimmen hat dagegen eine Kollegin in einem anderen Ärztehaus ausgemacht. Patienten würden sogar eher überlegen, jetzt mit dem Fahrrad zu kommen.
Kritik: Zumindest kurzfristiges Halten sollte möglich sein
Für ältere und nicht-mobile Patienten dürfte das aber kaum ein Thema sein, wie auch Bernd Handrup anmerkt. „Wir haben ja auch frisch operierte Frauen und Männer hier.“ Der Augenarzt kennt die Situation am Wall seit Jahrzehnten und macht keinen Hehl daraus, dass er die neue Radspur für eine Fehlplanung der Stadt hält.
Ihn ärgert, dass die Ärzte vorab kaum Informationen erhielten. Die Neuregelung sei von der Fahrradlobby durchgesetzt worden. Grundsätzlich sei Radverkehr eine gute Sache und Dauerparken am Wall „muss auch nicht sein“. Aber zumindest sollte eine Lösung gefunden werden, die kurzzeitiges Ein- und Aussteigen erlaube. Nicht nur Ärzte und deren Patienten seien betroffen, sondern auch der Lieferverkehr, wie Handrup beobachtet hat.
Handrup hat aber noch eine andere Sorge. Durch die Radspur sieht er die Gefahr, dass – anders als von der Stadt versprochen – keine neuen Bäume an den Wall kommen. Die waren im Zuge der B 7-Sperrung gefällt worden, damit ein beidseitiger Busverkehr ermöglicht werden konnte. Laut Verwaltung sind in der Neuplanung des Walls aber auch Neupflanzungen vorgesehen. est