Saubere Fahrzeuge und ein Albtraum

WZ-Kolumnist Uwe Becker über seine Autosammlung in der Kindheit.

Foto: Joachim Schmitz

Auch in Wuppertal wird darüber gestritten, ob ein Diesel-Fahrverbot sinnvoll wäre. Als Fußgänger und Gegner jeder Motorkraft befürworte ich dieses Verbot. Ich hasse auch diese Idioten, anders kann man sie wirklich nicht bezeichnen, die stundenlang ziellos mit ihren fetten Autos durch die Gegend rasen, und sich stolz ihre verbotenen Auspuffanlagen zeigen. Mir ist es auch völlig wurscht, ob sie ihre rollende Musikanlage mit Diesel oder Benzin zum Knattern bringen. Für mich reicht es völlig aus, wenn Krankenwagen, Busse, Feuerwehrwagen, Polizei- und DHL-Autos durch die Gegend düsen. Der eine oder andere Handwerksbetrieb hätte ein Problem, weil viele Unternehmer nicht über das Kapital verfügen, ihre alten Dieselfahrzeuge mal eben gegen umweltfreundlichere Autos einzutauschen. Aber sind wir doch einmal ehrlich, warten wir nicht so gut wie immer vergeblich auf Handwerker?

Begrabt mein Herz

in Wuppertal

Ich hatte da schon oft den Verdacht, dass mein Installateur überhaupt kein Auto hat. Natürlich könnten die Mitarbeiter der mittelständischen Handwerksbetriebe alle mit Schwebebahn und Bus zum Kunden kommen, die nötigsten Werkzeuge passen doch auch in einen Rucksack: Schraubenzieher, Seitenschneider, Hämmerchen, Lötkolben und Rechnungsblock mit Kugelschreiber. Und wenn wirklich mal ein sehr langes Rohr verlegt werden sollte, dann muss der Handwerker eben öfters mit der Schwebebahn fahren, um die Einzelteile vor Ort zusammenzufügen.

Automobile sind ja auch gefährlich, ich möchte sogar behaupten, sie sind eine Waffe. Zusätzlich sind sie unangenehm laut und sie stinken hinten raus. Und ob batteriebetriebene Fahrzeuge besser wären, ist auch ungewiss, kommt die Energie hierfür auch aus Kohlekraftwerken. Als Kind habe ich Autos über alles geliebt. Ich hatte im Alter von neun Jahren einen Fuhrpark, der aus über 50 Fahrzeugen bestand. Es waren die umweltschonendsten Autos, die man sich vorstellen kann. Sie werden noch heute von der Firma Wiking im Maßstab 1:87 gebaut und wurden schon damals mit der Hand in Bewegung gesetzt. Mit diesen kleinen Fahrzeugen machte ich Reisen durch die weite Welt unserer Wohnung in Heckinghausen. Der Flur war fünf Meter lang. Wenn ich auf Knien rutschend mit meiner kleinen BMW Isetta die Strecke zurücklegte, war das gefühlt wie eine Reise von San Diego nach San Francisco. Mit den Büchern, die meine Eltern bei Bertelsmann bestellt hatten, baute ich eine kleine Stadt, die ich „Heinrich Böll-Stadt“ nannte, weil sein Buch, „Ansichten eines Clowns“, das Rathaus darstellte.

Die Fahrt von meinem Kinderzimmer bis hinter den Fernseher im Wohnzimmer dauerte mit meinem VW-Käfer normal drei Tage, wenn ich einige Pausen einlegen musste, auch mal fünf Tage, weil meine Mutter an Wochenenden dreimal am Tag zum Essen rief, oder ich unter der Woche eine Schule besuchen musste. Über den Sinn dieser Maßnahme stritten Pädagogen damals wie heute. Nun gut, für die Menschheit wäre es die sauberste Lösung, wenn ich alle Autos der Welt Kraft meiner Hand zum Ziel bringen würde, aber das ist mit nur zwei Händen selbst für mich nicht zu schaffen.

Ich verkaufte irgendwann meinen Fuhrpark an ein Nachbarskind, weil ich einen furchtbaren Albtraum hatte: Ich saß in einem meiner Modellautos, und kam nicht vorwärts, weil ich das Fahrzeug ja nicht mit der Hand bewegen konnte. Verärgert öffnete ich die Fahrertür und stieg aus. Ich übersah aber, dass mein Auto mit der Fahrerseite knapp an der Tischkante stand. Mit dem linken Bein trat ich ins Leere und stürzte schreiend in die Tiefe. Ich war wohl tot.