Schluss mit den Schlafsälen: Werner Bistry zieht Bilanz

Werner Bistry war gut 40 Jahre im St.-Michael-Haus tätig. Im Ruhestand zieht er Bilanz.

Wuppertal. Seine Abschiedsfeier am 9. Juli fiel praktischerweise auf seinen 64. Geburtstag: Werner Bistry ist nach rund 40 Jahren pädagogischer und sozialer Arbeit in den Ruhestand gegangen. Die vergangenen zehn Jahre leitete er das Kinderhaus St. Michael und koordinierte vorher unter anderem zehn Jahre lang die Altenheime der Caritas. Reiner Massow wird zum 31. Juli sein Nachfolger. "Leicht fällt es mir nicht, zu gehen", sagt Bistry.

Werner Bistry: Damals gab es ein großes Gebäude am Uellendahl, in dem ungefähr 100 Kinder untergebracht waren. Dort gab es riesengroße Säle, die zwar unterteilt und durchaus gemütlich waren. Dennoch: Das Haus erinnerte eher an eine große Kaserne. Das Gebäude war alt, das Rohrsystem marode. Meine erste Aufgabe bestand darin, ein neues Konzept für das Kinderhaus zu entwickeln. Es sollte nun dezentrales Wohnen geben. Mittlerweile haben wir an fünf Standorten sechs Gruppen mit je zehn Kindern, etwa fünf Erziehern und einer Hauswirtschaftskraft.

Bistry: Das hatte rein pädagogische Gründe. Die Kinder sollten in die Nachbarschaft integriert werden, Freundschaften zu den Kindern außerhalb der eigenen Gruppe aufbauen und in kleineren familienähnlichen Strukturen leben. Das bedeutet auch, dass die Kinder heutzutage mehr Verantwortung im Haushalt übernehmen, beispielsweise durch gemeinsame Einkäufe und Aufräumen des eigenen Zimmers.

Bistry: Gute Frage. . . (überlegt) Ich glaube, ich würde privat und beruflich alles genauso machen - vielleicht bis auf kleine Details. Obwohl es mir teilweise sehr Herzklopfen gemacht hat, die bestehende Struktur des Kinderhauses auseinander zu nehmen und neu zusammenzusetzen, also quasi alles komplett auf neue Füße zu stellen. Das hat nur so gut geklappt, weil der Vorstand der Stiftung und die Mitarbeiter immer hinter mir standen und mich intensiv unterstützt haben.

Bistry: Ich kann für mich sagen, dass ich ein gläubiger Mensch bin, obwohl ich der Institution Kirche manchmal kritisch gegenüber stehe. Mein Glaube hat auch bei meiner Berufswahl eine Rolle gespielt. Die soziale Komponente war mir sehr wichtig. Zu Beginn meiner Laufbahn habe ich eine Ausbildung bei der Verwaltung gemacht. Aber die Arbeit dort war mir insgesamt zu trocken.

Bistry: Wir versuchen, eine christliche Grundhaltung zu vermitteln: Bei einem Konflikt nicht gleich loszuschlagen, sondern human miteinander umzugehen. Wenn die Kinder entsprechende Fragen stellen, sprechen wir mit ihnen über Gott und unseren Glauben. Neben gemeinsamen Tischgebeten bieten wir den Kindern an, persönlich mit ihnen zu beten, sofern sie es wollen. Aber wir sind da sehr unaufdringlich.

Bistry: Ja, da sind alle Kinder zusammen sonntags in die Kirche gegangen. Auch waren damals fast alle Kinder katholisch und getauft, was heute nur noch auf wenige Kinder zutrifft.

Bistry: Das ist ein großes Problem. Wenn die Kirche als moralische Instanz versagt, ist das für viele Menschen ein Dilemma, weil für sie ein Stückchen Halt und Orientierungsmöglichkeit verloren geht. Ich war entsetzt, welche Fälle da immer wieder hochkamen. So etwas darf nicht passieren. Das ist ein doppelter Widerspruch, vor allen Dingen in einer Einrichtung, die sich eigentlich den Menschen zuwendet. Gott sei Dank haben wir so etwas in unserer Institution nicht erlebt.

Bistry: Die Kinderheime waren abgeschieden, das war eine Art eigene Lebenswelt. Kontrolle war dort nicht ausreichend oder nur eingeschränkt möglich. Mit den kleineren, offenen Wohneinheiten, die wir heute haben, kann man solchen Entwicklungen vielleicht entgegenwirken.

Bistry: Ich spreche jetzt nur von dem Sektor der Heimerziehung - und da kann man nicht sparen. Wir werden als stationäre Jugendhilfe-Einrichtungen von den Kommunen voll finanziert. Das reicht für die Gehälter der Mitarbeiter, um die Immobilie zu unterhalten und für das, was die Kinder zum Leben brauchen. Aber alles, was darüber hinausgeht, wie sozialpädagogische Erlebnisse, Unternehmungen und Ferienfreizeiten, decken wir zu einem großen Teil aus Spendenmitteln ab.