Wuppertal Schülerkabarett mit scharfer Zunge

Michael Brischke bringt seit 35 Jahren gewitzte Programme auf die Bühne. Die Inhalte lässt er sein Ensemble bewusst selbst schreiben.

Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Generationen von Schülern hat er beigebracht, mit spitzer Feder und scharfer Zunge politische Themen auf den Punkt zu bringen. Seine Kothener Putzkolonne war Anfang der 80er Jahre das erste Kabarett in Wuppertal. „So etwas gab es hier gar nicht“, sagt Michael Brischke. Mit dem Wiedervereinigungsprogramm „grenzenlos deutsch“ ging er 1990 sogar auf Tournee, die sein Ensemble durch neun Bundesländer. „Dabei haben wir alles erlebt von demonstrierenden Nazis vor der Aula bis zu alten SED-Seilschaften“, berichtet der engagierte Lehrer für Literatur, Religion und Sport.

Im Laufe von 35 Jahren hat er mit wechselnder Besetzung von der Vogelgrippe, über Pisatest und Leitkultur bis zur Sparpolitik in verschiedenen Versionen humorvoll in Szene gesetzt. „Wir schaffen das — Willkommen ab“ ist der Titel des neuen Programms, das heute am Ganztagsgymnasium Johannes Rau Premiere hat. „Über den Titel haben wir lange nachgedacht“, sagt der Leiter des Kabarettungsdienstes.

Die Inhalte gibt er nicht etwa vor, sondern lässt seine Schüler selbst schreiben. „Das ist Schwierigste überhaupt. Doch nur in der Einheit von Autor und Spieler ist es authentisch. Das Publikum merkt sofort, ob jemand dahinter steht oder nicht.“ Für viele Ensemblemitglieder sei die intensive Recherche der Themen der Einstieg in ein politisches Denken und der Beginn einer oft rasanten Persönlichkeitsentwicklung. „Das zu verfolgen ist für mich nach wie vor das Faszinierendste.“

Einige seiner ehemaligen Schüler haben die Leidenschaft aus Jugendtagen sogar zum Beruf gemacht, sind Regisseure, Schauspieler oder sogar professionelle Kabarettisten geworden. „Zwei Ehemalige machen sogar selbst solche Programme mit ihren Schülern“, sagt Michael Brischke. Ihn hat auch einst sein Klassenlehrer für die Bühne begeistert. „Ernst König war Mitbegründer des ersten deutschen Nachkriegskabaretts.“ Die Kieler Studenten traten ab 1947 als „Die Amnestierten“ auf. Größen wie Dieter Hildebrandt gehörten dazu, später gründeten einige Ensemblemitglieder die Münchener Lach- und Schießgesellschaft.

Ernst König habe ihn sowohl zum Kabarett, als auch zum Lehrerberuf inspiriert, sagt Michael Brischke rückblickend. Kaum hatte er 1981 seinen Dienst im Gymnasium Am Kothen angetreten, bot er Kabarett als Thema einer Projektwoche an. „Daraus entwickelte sich die erste Gruppe.“ Nach 150 Auftritten in zwölf Jahren zog die Idee mit ihrem Initiator zum Gymnasium Johannes Rau um. Dort gründete sich der Kabarettungsdienst, der in 23 Jahren mehr als 300 Aufführungen mit 123 Schülern auf die Bühne brachte.

Gewitzt traten auch seine eigenen Kinder in den hausgemachten Produktionen auf. „Sie haben sogar die Schule gewechselt, um dabei zu sein“, erzählt Michael Brischke stolz. „Das ist schon etwas Besonderes, denn Jugendliche machen in dem Alter alles andere, aber nichts mit dem Vater und schon gar nicht an der Schule.“ Sein Sohn hatte jedoch schon früh den Proben im Elternhaus gelauscht und schnell gelernt. „Er konnte im Kinderwagen bereits die Lieder mitträllern. Es war allerdings etwas peinlich, wenn er im Supermarkt plötzlich sang: wenn schon Krieg, dann aber richtig.“

Seine 17 Jahre alte Tochter ist noch immer mit Begeisterung dabei. „Dies ist sicher nicht ihr letztes Programm“, prophezeit ihr Vater. Er selbst trägt sich dagegen schon mit Rückzugsgedanken. „In anderthalb Jahren gehe ich in den Ruhestand.“ Seine Nachfolge hat er bereits geregelt, damit auch in Zukunft noch viele Generationen von Schülern mit spitzer Feder und scharfer Zunge politische Themen auf die Bühne bringen.