Wie steht es um
die Zukunft des Schreibens?
Campus Wuppertal Sprachdidaktikerin Kirsten Schindler von der Uni Wuppertal im Gespräch über Handschriften und KI
Wuppertal · Zwischen Tradition und Technologie
Die Digitalisierung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) revolutionieren zahlreiche Lebensbereiche – auch das Schreiben bleibt davon nicht unberührt. Im Interview spricht Kirsten Schindler, Professorin für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur mit Schwerpunkt Sprachdidaktik, darüber, ob und wie traditionelle Schreibmethoden von digitalen Geräten abgelöst werden, was aus der Handschrift wird und wie KI-Tools Schreibprozesse unterstützen können.
Kirsten Schindler: Es ist schwierig, das genau zu prognostizieren. Ich glaube, wir werden in Zukunft anders schreiben. Das, was wir jetzt mit Papier und Stift machen – uns Notizen machen, das auch nutzen, um auf Ideen zu kommen – wird mehr und mehr ausgelagert werden. Wir werden viel mehr mit digitalen Geräten schreiben, vielleicht auch noch mehr diktieren.
Warum ist es wichtig, dass wir handschriftlich
schreiben lernen?
Schindler: Schüler sollten es unbedingt weiterhin lernen, um überhaupt eine Idee von Buchstaben zu bekommen. Über Bewegung lernen sie, dass Buchstaben in einer ganz bestimmten Form realisiert werden. Auch wenn das Schreiben mit dem Stift feinmotorisch relativ schwierig ist, schwieriger als Tippen oder Wischen, würde ich sagen, dass sich die Anstrengung lohnt.
Neben den digitalen Medien wird auch KI unsere Schreibprozesse verändern. Muss ich heute noch Dinge wie Rechtschreibung und Grammatik lernen, wo KI-Tools mir die Arbeit mittlerweile abnehmen?
Schindler: Ich beantworte diese Frage aus der Perspektive von jemandem, der sich für das Texte schreiben interessiert. Dafür ist es weniger relevant, denn Rechtschreibung und Grammatik können die Computer ganz gut übernehmen. Aber trotzdem ist es sinnvoll, dass ich Rechtschreibung lerne. Es hilft zu verstehen, wie Sprache funktioniert. Allerdings erscheint es mir auch relevant, dass ein zu starkes Fokussieren auf die Orthografie und den daran gebundenen Umgang mit Schreibfehlern sehr viele Ressourcen bindet. Zudem führt es zu Frust bei den Schreibenden und mittlerweile zu einer gewissen Schreibmüdigkeit. Viele trauen sich aus Angst vor Fehlern nicht mehr, überhaupt einen Satz zu schreiben. Oder schreiben nur Wörter, die sie ohnehin kennen. Dadurch werden die Texte uninteressant. Und wenn man da ein etwas entspannteres Verhältnis zu Fehlern entwickeln würde – im Hinblick darauf, dass es später genug unterstützende Software gibt – dann könnte das den Schreib- und Lernprozess fördern und beflügeln.
Wie soll das in der Schule umgesetzt werden?
Schindler: Ich würde mir wünschen, dass Lehrer diesbezüglich – und im Rahmen ihrer Möglichkeiten – ein bisschen zuversichtlicher werden. Die Lehrkräfte müssen natürlich die Texte ihrer Schüler verstehen können, sprich die Schüler müssen zumindest so schreiben, dass man eine Idee davon bekommt, was sie schreiben wollten und sie sollten natürlich Rechtschreibung lernen. Es ist nur die Frage, ob das in den Texten so stark gewichtet sein muss.
Halten Sie KI-Tools
und digitale Medien eher
für Segen als Fluch?
Schindler: Es ist doch toll, was wir damit ermöglichen. Nehmen wir zum Beispiel einen Floristen. Der ist vielleicht hervorragend in seinem Beruf, schreibt aber sehr ungern Texte, das Verfassen von Angeboten belastet ihn womöglich. Wenn er das dann mit solchen Tools umsetzen kann, ist das doch ein großer Gewinn. Ich glaube, dass KI-Tools Zugänge zu Sprache und Schrift ermöglichen und Barrieren überwinden helfen.
Wie steht es um das
wissenschaftliche Schreiben: Welche Veränderungen und Herausforderungen sehen Sie hier? Sind Hausarbeiten oder gar Abschlussarbeiten passé?
Schindler: Wir müssen auf jeden Fall über alternative Prüfungsformate nachdenken. Ich glaube, dass es für manche Fächer noch nie sehr viel Sinn gemacht hat, eine Bachelorarbeit zu schreiben und diese Fächer nutzen es natürlich, diese nun im Zuge der Diskussion abzuschaffen. Für die Geisteswissenschaften etwa sind schriftliche Arbeiten sehr wichtig, weil sie eine Form des Denkens sind, die unserer Art der wissenschaftlichen Auseinandersetzung sehr entgegenkommt. Ich weiß nicht, ob es so viele Arbeiten braucht, weil es auch schwer ist, die alle gut zu betreuen.
Finden Sie das
problematisch?
Schindler: Eine ganze Abschlussarbeit schreibt einem ChatGPT nicht. Man muss das durch Prompts – also die Anweisungen, die man der KI gibt – schon sehr aufwendig selbst gestalten. Oft werden in studentischen Arbeiten auch Themen diskutiert, die noch neu sind und bei denen einem – zumindest ChatGPT – nicht so weitreichend nutzt. Aber natürlich kann es an bestimmten Stellen eine Hilfestellung sein. Ich finde es gar nicht problematisch, wenn man erste Ideen über ChatGPT ausprobiert.