Kritik an Ehrung für Wirtschaftshistoriker

Im Zooviertel soll im Oktober eine Gedenktafel für Jürgen Kuczynski eingeweiht werden.

Foto: Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Zoo. Am 14. Oktober soll an der Jaegerstraße 16 eine Gedenktafel für den in Elberfeld geborenen Wirtschaftshistoriker Jürgen Kuczynski (1904-1997) eingeweiht werden. Das Andenken an den prominenten Wuppertaler ist allerdings umstritten: Das wurde bei der Vorstellung der geplanten Ehrung in der Bezirksvertretung Elberfeld-West deutlich. Kuczynski war in einer wohlhabenden jüdischen Familie geboren worden, hatte während der NS-Zeit im Exil gelebt und nach dem Zweiten Weltkrieg in Ostdeutschland als Historiker Karriere gemacht. Seit 1946 war er Mitglied in der SED, zudem pflegte er eine enge Freundschaft zu dem damaligen DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker.

Die letztgenannten Aspekte der Biografie verschwieg der Leiter des Historischen Zentrums, Eberhard Illner, bei der Information zu der Gedenktafel und der zu ehrenden Persönlichkeit zunächst. Er wies stattdessen darauf hin, dass Kuczynski seine ersten zwei Lebensjahre im Zooviertel verbracht hatte. In den 1920er Jahre habe Kuczynski dann Karriere als Wissenschaftler gemacht und sei unter anderem für seine statistischen Untersuchungen zur Arbeiterbewegung bekannt geworden. Als Wissenschaftler in der DDR genoss er dann hohes Ansehen in dem Staat. Nach seinem Tod im Jahr 1997 hinterließ er eine der größten und wertvollsten Privatbibliotheken Deutschlands.

Vor allem die Nähe Kuczynski zum SED-Regime wurde von zwei Bezirksvertreterinnen mit Skepsis betrachtet. So erinnerte Kordula Pfaller (Grüne) daran, dass Kuczynski ein guter Freund von Honecker und langjähriges SED-Mitglied gewesen war. Rhetorisch noch schärfer fasste die Kritik SPD-Vertreterin Doris Blume: Sie las Illner in voller Breite alle Würdigungen vor, die Kuczynski in der DDR erhalten hatte - das reichte vom Nationalpreis bis zur Ehrenspange zum Vaterländischen Verdienstorden. Sie könne angesichts einer solchen Karriere die Würdigung durch die Stadt Wuppertal nicht nachvollziehen und sei „ganz und gar dagegen“, betonte Blume.

Illner erklärte, dass Kuczynski ein „überzeugter, aber kritischer Kommunist“ gewesen sei. Er sei keine linientreuer SED-Anhänger gewesen und habe sich zum Beispiel in dem Buch „Dialog mit meinem Urenkel“ kritisch mit der DDR auseinandergesetzt. Dass er von dem SED-Regime nicht weiter verfolgt wurde, habe er seinem hohen Alter und seiner wissenschaftlichen Reputation zu verdanken gehabt. Die Würdigungen durch die DDR-Staatsführung seien lediglich „pro forma“ verliehen worden. Kuczynski habe ein „allgemein anerkanntes Werk“ veröffentlicht und „immer streng wissenschaftlich gearbeitet.

Grünen-Vertreterin Pfaller wollte daraufhin wissen, ob es möglich sei, auf der Gedenktafel die möglicherweise kritischen Aspekte der Biografie von Kuczynski aufzunehmen. Das sei aus Platzgründen nicht möglich, erklärt Illner. Allerdings sei angedacht, einen QR-Code anzubringen, über den weiteren Informationen zu dem Geehrten gesucht werden könnten.

Der Leiter des Historischen Zentrums verwies zudem darauf, dass es Absicht der Stadt sei, künftig verstärkt mit Gedenktafeln an Prominente aus oder historische Ereignisse in Wuppertal zu erinnern. Eine entsprechende Entscheidung habe die Kommission Kultur des Erinnerns gefällt, auch Oberbürgermeister Andreas Mucke unterstütze das Vorhaben, betonte Illner. Bei der Einweihung der Gedenktafel für Kuczynski soll darum auch der OB anwesend sein.