Rehsiepen verfällt: Fenster stürzt sechs Stockwerke tief
Ronsdorf: Ein kurioser Fenstersturz in der Hochhaussiedlung am Rehsiepen heizt die Debatte um den Zustand der Häuser an.
Wuppertal. Sie werden von Deutschlands größtem Immobilienunternehmen, der Gagfah Group, verwaltet und dennoch gelten sie als marode, als Schandfleck, als schäbige Skyline von Ronsdorf: die Hochhäuser am Rehsiepen. Ein kurioser Vorfall, der sich am Samstagnachmittag ereignet hat, heizt die Debatte um den Zustand der acht Hochhäuser jetzt noch an: In der sechsten Etage des Hauses Nummer zehn will eine Familie zu heiß gewordenes Öl in einem Topf mit Wasser löschen. Es entsteht eine Stichflamme, kurz darauf eine Druckwelle. Plötzlich bricht das Küchenfenster mitsamt Rahmen aus seiner Verankerung und stürzt mit Teilen der Schieferfassade in die Tiefe.
Das alles kann die türkischstämmige Mutter der Familie am Montagmittag nur bruchstückhaft schildern. Sie scheint noch immer unter Schock zu stehen. Und: In ihrer Küchenwand klafft noch immer ein großes Loch. Die Hausverwaltung der Gagfah Group hat für den Nachmittag einen Handwerkertrupp versprochen. Sie wird auch ermitteln müssen, ob eine derartige Druckwelle stark genug ist, um einen Fensterrahmen zu heraus zu brechen. Die Nachbarn haben eigene Meinungen gebildet. "Es fallen öfter Teile der Schieferverkleidung herunter. Unsere Kinder spielen schon gar nicht mehr im Garten", sagt eine junge Frau.
Der Vorfall ist Thema am Rehsiepen. Fast jeder hat eine eigene Leidensgeschichte. Ein Haus weiter, in der ersten Etage von Nummer zwölf hat Renate M. (Name von der Redaktion geändert) erst einen Tag zuvor Schimmel im Zimmer ihrer Tochter entdeckt. Sie ist wütend und resigniert zugleich. Seit Wochen schon blättert die Schlafzimmertapete ab. Auch dahinter kommt Schimmel zum Vorschein. "Das alles ist schon mal passiert. Damals hat die Gagfah isoliert, neue Tapeten angeklebt und gesagt, ich würde falsch lüften. Dabei sieht es im Treppenhaus genauso aus. Das Wasser kommt übers Dach durch die Außenfassade", sagt die zierliche Frau und fügt hinzu: "Mit der Gagfah spreche ich nur noch über meinen Anwalt. Auf mich reagieren die gar nicht."
Vor drei Monaten fiel das Stahlgeländer ihres Balkons herunter, "einfach so". Die Gagfah versprach Hilfe im Januar. "Bis jetzt ist nichts geschehen. Meine Nachbarin bindet ihr Geländer mit Draht fest", sagt sie und schließt die Tür hinter sich. Die ist seit einem Kellerbrand verzogen - der ist sieben Jahre her.
Der Wuppertaler Mieterverein hat bereits eine Mängelliste über die Gagfah-Häuser angelegt. Der stellvertretende Vorsitzende Bruno Wortmann hat lange Gespräche mit Mietern und Unternehmen geführt. "In manchen Treppenhäusern läuft das Wasser zu den Fenstern rein", erklärt er. Nach dem ersten WZ-Bericht über den Zustand der Häuser erreichten ihn zahlreiche Hilferufe von Mietern, darunter auch der Satz: "Endlich kümmert sich mal einer um uns." Doch: "Die Gagfah hat mir gegenüber keine Zusage gemacht, dass sie in diesem Jahr mehr in die Renovierung investiert", so Wortmann.
Der Stadt gegenüber soll die Gagfah dagegen umfangreiche Sanierungen zugesagt haben. Die drohte dem Unternehmen zuletzt mit "wohnungsaufsichtlichen Anordnungen", sollte die Sicherheit der Mieter nicht gegeben sein. Am 6.Februar besichtigten Vertreter der Abteilung für Bauförderung und Wohnen mit Gagfah-Leuten die Hochhäuser. Das Unternehmen hat eine schriftliche Verpflichtungserklärung angekündigt, in der sie die Sanierungsschritte auflisten will. Speziell geht es um die Beseitigung des Schimmels in den Treppenhäusern und den Einbau neuer, dicht schließender Fenster.