Serie: Blick in verborgene Welten „Wie draußen, nur eingesperrt“

Arbeit, Sport, Gemeinschaft lernen: Manches in der JVA Ronsdorf ist wie im normalen Leben — bis auf das Träumen von der Freiheit.

Foto: Andreas Fischer

Ronsdorf. Scheppernd fällt die schwere Stahltür hinter uns ins Schloss. Der Rückweg ist versperrt. Mit einer kurzen Handbewegung lässt Bereichsleiter Sven Bochhammer den Bund mit den beiden langen Schlüsseln in eine Tasche am Gürtel gleiten. Eingeschlossen zu sein ist für ihn Alltag. „Daran sind wir hier gewöhnt“, sagt der Justizvollzugsbeamte und durchmisst mit großen Schritten den geraden Gang, der den Weg zwischen den beiden Backsteingebäuden der JVA Ronsdorf überbrückt.

Die gläserne Fassade bietet Ausblicke auf das verschneite Basketballfeld auf der einen und die Wohngruppen auf der anderen Seite. „Hier ist alles sehr weitläufig und bietet unseren 420 Häftlingen viel Platz“, sagt Anstaltsleiterin Katja Grafweg. Eine Gruppe junger Männer marschiert gerade zur Mittagspause. „Die Jugendlichen sind zwischen 14 und 24 Jahre alt, sie bleiben von wenigen Wochen bis zu acht Jahre hier.“

Sven Bochhammer deutet auf einen Glaswürfel, der Mann hinter der Scheibe telefoniert. „Das ist unsere Sicherheitszentrale. Wenn es mal Raufereien gibt, organisiert er den reibungslosen Ablauf.“ Dann öffnet er die nächste Tür. „Das ist unsere Sepp-Herberger-Wohngruppe“, sagt er und zeigt auf die Wandmalerei aus Tornetzen, Bällen und Grün.

Während im Hintergrund ein junger Mann in Trikot und Stollenschuhen in die Dusche verschwindet, kommt Cheftrainer Abon Chez aus seiner Kammer. „Im Vorjahr haben wir das Bundesturnier gegen elf andere Teams gewonnen“, berichtet er stolz und weist auf die Pinnwand hinter dem Kickertisch hin: „Otto Rehagel war auch schon hier“, sagt er mit Blick auf die vielen Fotos.

Die 15 Jungs seiner Fußball-WG leben in Einzelzimmern und kümmern sich zusammen um die Gemeinschaftsräume. Eine hölzerne Tafel an der Wand verrät, wann welche Spieler im Dienste der Sauberkeit durch Küche oder Bad dribbeln. „Sie müssen nicht nur sportlich sein, sondern sich auch gut hier integrieren. Wenn sie ihren Arbeitsplatz verlieren oder Unsinn machen, müssen sie gehen“, betont Abon Chez. Doch das komme selten vor.

Die nächste Tür, wieder ein langer Gang. Er führt zu den Werkstätten. Am Eingang der Maler und Lackierer riecht es scharf nach Farbe. In kleinen Räumen bereiten sich die Auszubildenden mit Eimer und Rolle auf ihre Abschlussprüfung vor. Meister Sergio Lopez wirft einen Blick in eine der Kabinen, wo ein Schützling das Klebeband von den Türscharnieren entfernt. „Das ist nicht ganz sauber“, sagt er und deutet auf die Farbe an der Türfalle. Der Häftling nickt.

Sein Kollege ist entspannt, er hat bis zum Abschluss noch vier Monate. „Dann werde ich entlassen und mache draußen meine Ausbildung als Fliesenleger zu Ende“, berichtet der 20-Jährige. Sein Plan: „Nach der Prüfung möchte ich als Fliesenleger arbeiten, etwas Geld sparen, meinen Meister machen und irgendwann einen eigenen Betrieb haben. Es ist wichtig, Ziele zu haben.“ Dafür geht er jeden Morgen in die Werkshalle und arbeitet dort bis 16 Uhr. „Das ist eigentlich wie draußen, nur dass wir eingesperrt sind.“

Vor den massiven Fenstergittern stehen die Häftlinge in kleinen Gruppen zusammen, rauchen, quatschen und schauen unverhohlen neugierig herein. Ein flüchtiger Blickkontakt, ein breites Grinsen, ein angedeutetes Nicken. Bevor die einen wieder ihren Platz an der Werkbank einnehmen, führen lange Gänge und unzählige Türen die anderen Richtung Ausgang. Wieder in Freiheit fällt die schwere Stahltür scheppernd ins Schloss.