. Herr Hanke, Sie waren mehr als drei Jahrzehnte lang Geschäftsführer des Evangelischen Seniorenzentrums Vohwinkel. Wie hat alles begonnen?
Nach 30 Jahren heißt es Abschied nehmen „Menschliche Zuwendung ist nicht ersetzbar“
Vohwinkel · INTERVIEW Dieter Hanke geht nach 30 Jahren als Geschäftsführer des Seniorenzentrums Vohwinkel in den Ruhestand. Er sagt, dass Roboter die Probleme in der Pflegebranche nicht lösen können.
Dieter Hanke: Ich habe mich ganz klassisch auf eine Stellenanzeige beworben und musste in einem Bewerbungsgespräch 15 Personen überzeugen. Das war ein anstrengender und auch sehr aufregender Prozess für mich.
Wie war die Ausgangssituation im Haus?
Hanke: Der Rohbau stand schon, sonst war alles noch offen und ungeklärt. Ich habe mich dann mit vollem Einsatz an die Arbeit gemacht. Es gab viel zu tun. Von der Ausstattung und Einrichtung des Hauses über die Auswahl der Mitarbeiter bis zur Information der zukünftigen Heimbewohner gab es unglaublich viel zu organisieren. Jeden Tag waren unzählige Entscheidungen zu treffen.
Ging alles reibungslos?
Hanke: Der Einstieg war nicht leicht. Wir haben hier die Geschäftsform einer GmbH gewählt mit kirchlichen Gesellschaftern. Das war damals durchaus nicht üblich. Für die damaligen Presbyter und Pfarrer war das eine Umstellung – dass die letztendlichen Entscheidungen bei der Geschäftsführung lag. Anders ging es aber nicht, sonst wären wir niemals vorangekommen.
Fiel es Ihnen immer leicht, diese Verantwortung zu übernehmen?
Hanke: Wenn man eine solche Aufgabe leicht nimmt, fällt man schnell auf die Nase. Schließlich haben wir es mit Menschen zu tun. Da haben falsche Entscheidungen sofort eine direkte, oft fatale Auswirkung. Das ist schon eine Bürde, mit der man klarkommen muss, zumal man als Geschäftsführer eigentlich immer in der Verantwortung steht, 365 Tage im Jahr.
Was hat Sie an der Aufgabe gereizt?
Hanke: Die Pionierarbeit. In Vohwinkel gab es zu diesem Zeitpunkt fast keine Hilfsangebote für Senioren. Diese Lücke haben wir gefüllt und immer weiter ausgebaut. Natürlich ging das nicht von heute auf morgen. Bis alles eingespielt war, hat es Monate und Jahre gedauert. Eine wichtige Besonderheit ist für mich auch, dass diese Einrichtung nach wie vor gesamtgesellschaftlich getragen wird und wir einen breiten Rückhalt aus der Vohwinkeler Bevölkerung haben.
Wie hat sich die Situation in der Pflege aus Ihrer Sicht verändert?
Hanke: Manches hat sich gar nicht verändert. Der Mangel an qualifizierten Pflegekräften war schon bei meinen beruflichen Anfängen in der Altenpflege vor mehr als 40 Jahren ein Thema. Diesbezüglich hätte in all den Jahren viel mehr getan werden müssen. Das schafft damals wie heute eine Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Wenn in einer Wohngruppe drei Mitarbeiter auf 30 Bewohner kommen, wird es zwangsläufig Wartezeiten für die Bewohner geben, so dass Unzufriedenheit entsteht.
Gibt es denn auch Verbesserungen?
Hanke: Die Pflegeversicherung hat für eine Steigerung der Qualität gesorgt, auch wenn die Betroffenen das nicht unbedingt so wahrnehmen. Früher waren Drei- bis Vierbettzimmer die Regel, das wäre heute undenkbar. Die Qualifikation der Pflegefachkräfte ist ebenfalls besser geworden. Aber auch die Ansprüche sind gestiegen und es gibt viel mehr pflegebedürftige Menschen. Daher ist die Zahl der Pflegekräfte eben immer noch nicht ausreichend.
Welche Anreize müssten diesbezüglich geschaffen werden? Reicht eine bessere Bezahlung aus?
Hanke: Wir haben in vielen Fällen bereits eine ordentliche Vergütung, das ist nicht das Thema. Wichtig wäre eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Dazu gehören feste freie Tage und weniger Druck bei der Arbeit. Die körperliche und psychische Belastung in diesem Beruf ist hoch. Außerdem ist ein Studium in der Pflege immer noch eine Ausnahme. Andere Länder machen das besser.
Dann reden wir aber über deutlich steigende Beiträge, oder?
Hanke: Das lässt sich nicht vermeiden. Und die Zeit drängt. Wenn wir heute nichts tun, kann das System zusammenbrechen. Das gilt übrigens auch für die Pflege in Krankenhäusern. Wir haben hier ein zentrales Thema der Zukunft. Immer mehr Menschen werden immer älter. Am Ende müssen wir uns entscheiden, was uns die Pflege wert ist. Sonst werden wir nicht mehr vernünftig versorgt, so einfach ist das. Es gibt heute schon Einrichtungen, die am Rande ihrer Kapazität sind und Betroffene, die keinen Pflegedienst zur Versorgung ihrer Angehörigen finden.
Werden wir dann am Ende von Pflegerobotern versorgt?
Hanke: Das ist ein völlig unrealistisches Szenario. Die Automatisierungsmöglichkeiten in der Pflege sind äußerst begrenzt. So werden wir das Problem sicher nicht lösen. Menschliche Zuwendung ist nicht durch Maschinen ersetzbar.