Konzertformat Freude über echte „Musik auf Abstand“

Streicherquartett des Sinfonieorchesters gab kurzes Konzert vor dem Johann-Burchard-Bartels-Haus.

Musiker (im Bild v.r.: Liviu Neagu-Gruber und Momchil Terziyski) und Heimbewohner waren durch ein Absperrband getrennt.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Die vier Streicher haben sichtlich gute Laune, verwandeln mit ihrer beschwingten Musik den bis auf drei Bäume und zwei Bänke in der Mitte leeren Platz in eine Open-Air-Bühne. Eine leichte Brise mildert die nachmittägliche Sonnenhitze. Im Schatten des angrenzenden Wohnkomplexes verfolgen einige Menschen, nicht selten im Rollstuhl, das Konzert. Allein ein rot-weißes Flatterband stört, es trennt sie von den Musikern. „Nur für Sie“ heißt das Format, das das Sinfonieorchester Wuppertal in der Coronakrise etabliert hat. Eines von vielen, das die Musik aber auf analogem Weg zu den Menschen bringt. In diesem Fall: Zu den Bewohnern des Johann-Burchard-Bartels-Hauses in Wichlinghausen.

Heimbewohner sind von der Coronakrise besonders hart getroffen, weil hier die Kontaktsperre der hohen Ansteckungsgefahr wegen strenger genommen wird. Mittlerweile sind zwar Besucher im Haus wieder willkommen, aber unter strengen Schutzvorschriften: zum Beispiel getrennter Zutritt, FFP2-Schutzmasken, Kittel und ein Abstand von zwei Metern. 125 Bewohner zählt das Bartels-Haus, Besuch von Musikern des Sinfonieorchesters hatten sie schon vor zwei Wochen. Die Begeisterung sei sehr groß gewesen, erzählt Lara Kroemer, die den Sozialen Dienst im Haus leitet. Außerdem kamen die Senioren Ende April als erste in den Genuss des Spontanformats „#VomBerginsTal“, als vier Blechbläser des Sinfonieorchesters auf dem Rastplatz „Belvedere“ an der Nordbahntrasse das Heim von oben bespielten. Also kümmerte sich Kroemer um einen weiteren Auftritt. Sie stellte eine von etwa 30 Anfragen aus Einrichtungen in der Stadt, die das Orchester in der Coronakrise bislang auf das beliebte Format „Nur für Sie“ erhalten hat.

Folgen des ausgesetzten Konzertwesens später bemerkbar

Orchestermanager Benjamin Reissenberger setzt die kleinen Konzerte bewusst für Menschen mit Behinderungen, für Senioren und für die Mitarbeiter in den Einrichtungen ein. Ein Schritt gegen ihre Isolation, der ausgebaut werden solle, erzählt Alexander Sojka vom Educationteam des Orchesters, der das Projekt koordiniert. Mittlerweile haben die Musiker in Terzett- oder Quartettstärke an die 15 Auftritte in allen Stadtteilen absolviert. Unter strenger Einhaltung der Abstandsregeln, weshalb man auch dieses Konzert unter das Motto „Musik auf Abstand“ stellen kann.

Liviu Neagu-Gruber ist Violinist, spielt seit 1991 im Sinfonieorchester. Er freut sich über die „wohltätige Aktion in schwerer Zeit“, die den ungesunden Musikentzug unterbreche. Und warnt vor den Folgen des ausgesetzten Konzertwesens, die erst später bemerkbar seien und dazu auffordern, heute dagegen anzukämpfen, jeder mit dem Herzen und dem, was er könne. Es sei unnatürlich nicht zu spielen, ergänzt Momchil Terziyski, der Vorspieler der Bratschen im Sinfonieorchester ist. Komplettiert wird das Quartett durch Cellistin Hyeonwoo Park, die seit 2014 in Wuppertal ist, und den Violinisten Axel Heß, auch er ist schon seit über 20 Jahren ein Sinfoniker.

Eine Mischung aus Evergreens und klassischen Stücken haben sie an diesem Nachmittag mitgebracht, unterhaltsam und leicht, durchaus auch rhythmisch – ein Programm, das keine großen Proben erfordert, schließlich gilt die Kontaktsperre auch für die Musiker. Darunter Carlos Gardels „Por una cabeza“, „Haydns Südamerikanische Saitensprünge“ – Streichquartettfragment von Thomas-Mifune, das Pippi Langstrumpf-Lied „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“ und Hans Hammerschmidts „Für mich soll’s rote Rosen regnen“, die in dieser Umgebung eine ganz eigene Bedeutung erfahren.

Nach einer halben Stunde ist das unterhaltsame Konzert bereits zu Ende. Die meisten Bewohner sind nicht zu den Musikern auf den Vorplatz des Wohnheims herunter gekommen, sondern haben von ihren terrassenartig angelegten Balkonen aus gelauscht. Blieben so unsichtbar. Ihr Applaus aber ist echt – eben wie bei einem echten Konzert.