Die WZ hat einen Termin in Wuppertal besucht Blut spenden ist wie Brötchen kaufen

Wuppertal · Die Konserven werden knapp, das Sommerloch macht sich bemerkbar.

Andreas Benz lässt sich von Natalie Bujalski 500 Milliliter Blut abnehmen.

Foto: Anna Schwartz

Andreas Benz sitzt ruhig auf einem Stuhl im Blutspenderaum im Evangelischen Gemeindehaus an der Inselstraße. 500 Milliliter Blut hat er gerade abgegeben, ein paar Minuten soll er noch ruhig sitzen bleiben. Nur ein Pflaster am Ohr, wo der Hämoglobin-Wert gemessen wurde, und ein Pflaster in der Armbeuge zeugen von seiner Spende, die momentan so dringend gebraucht wird. Denn beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) werden die Blutkonserven knapp, hier macht sich das Sommerloch bemerkbar. Das DRK ruft deshalb zur Blutspende auf.

26 Jahre ist es her, dass Andreas Benz das letzte Mal Blut spenden war. „Das hatte einen egoistischen Hintergrund“, berichtet er lachend. „Ich habe gedacht, das wäre wie bei einem Aderlass. Dass es einem danach besser geht.“ Lange Zeit hat er das Blutspenden dann aus den Augen verloren. Jetzt ist er spontan vorbeigekommen. „Vielleicht helfe ich so jemandem, der einen Unfall hatte“, sagt er. Eigentlich brauchen Spender einen Termin, erklärt Stephan David Küpper, Sprecher des DRK-Blutspendedienstes West. Aber wer spontan kommt, wird nicht weggeschickt, sondern dazwischengeschoben. Denn jede Spende hilft.

Nicht jede Spende wird direkt weitergegeben

„Wir machen die Not daran fest, dass wir den Krankenhäusern nicht mehr bereitstellen können, was sie anfordern“, erklärt Küpper. Über zwei Wochen könne eine Klinik mit ihrem eigenen Depot solch eine Phase ausgleichen. „Wir reden aber schon über drei Monate, die wir weniger Spenden haben als wir brauchen.“ Etwa 3000 bis 3500 Spenden am Tag würden im Gebiet NRW, Rheinland-Pfalz und dem Saarland gebraucht. Nicht jede Spende werde aber sofort weitergegeben. „Wir brauchen eine Bevorratung, weil wir gewährleisten müssen, dass auch nachts an Heiligabend Blut da ist“, erklärt Küpper. Dass Blut fehlt, hat Folgen. So müssen teilweise geplante Operationen in Kliniken verschoben werden.

Florian Schumann ist zum ersten Mal Blut spenden – weil er erst seit Kurzem überhaupt spenden darf, erklärt er. Der Team-Mitarbeiter legt ihm eine Blutdruckmanschette an. „Versuchen Sie sich zu entspannen. Machen Sie bitte eine kräftige Faust“, leitet er Florian Schumann an. „Falls etwas anders ist, als sonst, melden Sie ich. Wir hätten zwar gerne die Konserve, aber nicht um jeden Preis. Ihnen soll es gut gehen.“ Und dann folgen die üblichen Hinweise: Nach der Spende essen und trinken – „Sie verlieren gute Kalorien“ – keinen Sport, keine Sauna, alles meiden, was den Körper anstrengt. Und dann läuft das Blut schon durch die Kanüle in den Beutel, der auf einer Waage hin- und hergeschwenkt wird. Sie misst das Gewicht der Spende, „die grammgenau“ sein muss, erklärt Küpper. Ist das Gewicht erreicht, schließt eine Klemme automatisch den Blutfluss ab und ein Piepen ertönt.

Florian Schumann hat in den Sozialen Medien von der Blutknappheit gelesen. „Man kennt die Arzt-Serien, die unter der Woche laufen. Da wird das auch manchmal thematisiert. Das hat zur Motivation beigetragen“, erzählt er. Er habe so oft Blut abgenommen bekommen, jetzt sei es nur ein bisschen mehr. Aufgeregt gewesen ist er vorher nicht.

„Einer der Gründe, warum die Blutspende nie gleichförmig verläuft, ist, dass wir jeden Tag etwa zehn bis zwölf Prozent der Spender wieder nach Hause schicken müssen“, sagt Stephan David Küpper. Mal sei der Hämoglobin-Wert nicht im Rahmen, der Puls oder der Blutdruck stimme nicht. Dann haben Spender mal ein frisches Tattoo, einen erst kurze Zeit zurückliegenden Infekt oder hätten eine Impfung bekommen, die eine Spende für eine bestimmte Zeit ausschließt. „Auch der Einfluss von außen ist enorm. Von so etwas Banalem wie Sommerferien bis hin zur Grippewelle“, sagt Küpper. Und es gibt generell zu wenig Menschen, die Blut spenden. „Hätten wir mehr Spender, müssten die einzelnen Köpfe seltener kommen. Je mehr Köpfe kommen, desto weniger anfällig ist das System.“ Auch sei es einfacher, jemanden in einem Notfall anzurufen, noch einmal Blut zu spenden, als jemanden dazu zu überreden, der noch nie gespendet hat.

Regeln dienen dem Spender- und Empfängerschutz

Thorsten Bentmann beispielsweise hat bereits zum 78. Mal Blut gespendet. Er sitzt im Raum mit dem Aufkleber „Imbiss“ an der Tür. Servierteller mit belegten Brötchen stehen bereit, dazu Flaschen mit Wasser, Cola und Apfelschorle. Thorsten Bentmann zieht sein Handy aus der Hosentasche und öffnet die Blutspende-App, die ihn darüber genauestens informiert. „Mein Vater ist immer Blut spenden gegangen, da bin ich mit groß geworden“, sagt er. Ein Aspekt, den Spendenorganisator Jörg Harte kennt. „Kinder, die schon ihre Eltern zum Blutspenden begleitet und gesehen haben, dass sie keine Todesangst haben müssen oder Schmerzen bekommen, kommen eher wieder als beispielsweise Berufsschüler, die wir motivieren“, erklärt er.

Oft werde dem Blutspendedienst in den Sozialen Medien vorgeworfen, sehr pingelig bei der Auswahl von Spendern zu sein, erzählt Stephan David Küpper. „Die Regeln dienen aber dem Spender- und dem Empfängerschutz“, sagt er und nennt ein Beispiel: Im Spenden-Check auf der Website des Deutschen Roten Kreuzes wird nach der Creutzfeld-Jakob-Krankheit und Aufenthalten in Großbritannien gefragt.

Die Tierseuche BSE, auch Rinderwahnsinn genannt, trat dort in den 1980er-Jahren auf. Sie kann auf den Menschen übergreifen und als Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit auftreten. „Es kann 40 Jahre dauern, bis eine solche Erkrankung ausbricht“, sagt Küpper. „Die Wissenschaft sagt dann ,better safe than sorry‘.“ Vorsicht ist besser als Nachsicht.

„Das gespendete Blut macht viele Kilometer“, sagt Stephan David Küpper. Was in Wuppertal gespendet wird, kommt ins Institut nach Ratingen-Breitscheid. Von dort aus wird das Blut ins Hagener Labor geshuttelt, getestet und aufgespalten – in Rote Blutkörperchen, Blutplättchen und Blutplasma. Der Patient bekomme dann nur das, was er wirklich benötigt. „Das ist wie bei einem Medikament. Wo eine Wirkung ist, ist auch eine Nebenwirkung“, sagt Küpper. Und so werden die Nebenwirkungen möglichst gering gehalten.

50 Spender hatte das DRK am Montagnachmittag erwartet. Gekommen sind letztlich sogar 60. Ein sehr erfreuliches Ergebnis, sagt Küpper. Eine der Spenderinnen ist Kerstin von Lehn. Sie wohnt und arbeitet in der Nähe und verbindet die Blutspende mit ihrem Nachhauseweg. „Ich gehe Blut spenden, seitdem ich meine Tochter geboren habe“, erzählt sie. Diese habe einen angeborenen Herzfehler und schon oft Blut bei Operationen benötigt. „Man kann immer selber in die Situation kommen, dass man Blut benötigt“, sagt sie.

Blut spenden ist also ganz einfach. „Das ist wie in eine Bäckerei zu gehen und Brötchen zu holen“, sagt Andreas Benz. Ihm geht es nach der Spende „fantastisch“, sagt er vergnügt – und macht sich kurze Zeit später schon wieder auf die Socken.