Chor der Börse Von der Spülküche auf die Wuppertaler Bühnen

Wuppertal · Der Chor hat sich 1980 formiert und bringt bis heute singfreudige Menschen mit musikalischem Anspruch zusammen.

Der Börsenchor ist zwar ein Laienchor, will aber trotzdem sein Publikum überzeugen.

Der Börsenchor ist zwar ein Laienchor, will aber trotzdem sein Publikum überzeugen.

Foto: Florian Schmidt

Was 1980 in der Spülküche der damaligen Börse mit der Überlegung „Man könnte doch…“ begann, hat sich zu einer fröhlichen Gruppe von Laiensängerinnen und -sängern entwickelt. Den Börsenchor gibt es inzwischen schon seit ganzen 44 Jahren.

Derjenige, der diese Überlegungen anstellte, war der Zivildienstleistende Martin „Tinus“ Hörisch. Der arbeitete in der Börse, hatte an der Musikhochschule in Köln studiert. Christoph Schlichter ist noch ein Mitglied der ersten Stunde, kannte den Ideengeber des Börsenchors von Anfang an. „Tinus inserierte im Börsenblättchen, dem Nachfolger des Italien-Magazins, und suchte Interessierte zur Gründung eines Chors.“ Die fanden sich nach und nach zusammen, und in seinen besten Zeiten hatte der lockere Zusammenschluss von Sangesfreudigen und -freunden mehr als 40 Mitglieder.

Die sind unkompliziert und spontan: Versehentlich hatte die Börse noch Ferien, als der Chor jetzt seine erste Probe angesetzt hatte. Da kamen die Treppenstufen vor dem Haupteingang gerade recht. Ein Schnipsen, Summen aus erst einer, dann aus mehreren Kehlen, und schon war die Open-Air-Chorprobe auf den Weg gebracht. Schläppchen, Sonnenbrille, Bermuda-Shorts – mit viel Freude improvisierte die fröhliche Gruppe die erste Probe nach der Sommerpause. Die Notenmappen hatten die Mitglieder, die entspannt heranschlenderten, unter dem Arm, das aktuelle Notenmaterial wurde aus Rucksäcken und Strohtaschen gezogen.

Die Mitglieder des Börsenchors sind über die Begeisterung fürs Singen miteinander verbunden, lachen über sich selbst: Unter der Dusche, auf dem Klo – wer gerne singt, tut das an allen möglichen Orten, sind sich die Chormitglieder einig. Besonders finden sie auch, dass es reichlich Männer gibt, die mitsingen. Das sei eher ungewöhnlich, erläuterte Chorleiterin Susanne Bender-Holl, meistens sängen eher Frauen im Chor. Auch die Altersstruktur beim Börsenchor ist anders als in vielen anderen Chören: Neben den Gründungsmitgliedern, die damals in den 20ern waren, gehören heute auch viele „Best-Ager“ dazu. 22 Begeisterte hat der Chor jetzt, und Susanne Bender-Holl findet es ebenfalls außergewöhnlich und erfreulich, dass jede Stimme fünf Mal besetzt ist. Dennoch freut sich die fröhliche Gruppe über Interessierte, die gerne einmal zum Schnuppern kommen wollen. „Man muss weder eine Ausbildung haben, noch muss jemand vorsingen. Einfach reinschauen, mitmachen, Spaß haben“, beschreibt Christoph Schlichter das, was zum Mitmachen qualifiziert. Drollig findet die Gruppe den Umstand, dass sogar Ehen zwischen den Chormitgliedern geschlossen wurden.

Chorleiterin Susanne Bender-Holl ist eher versehentlich zu dieser Aufgabe gekommen. „Tinus hatte sich ein Bein gebrochen. Da bin ich eingesprungen“, erinnert sich die pensionierte Musiklehrerin, die an der Else-Lasker-Schüler-Gesamtschule gearbeitet hat. Gleichzeitig hat sie erst übergangsweise und nach der Genesung von Tinus Hörisch gemeinsam mit ihm den Chor geleitet. Jeder der beiden hätte seinen eigenen Stil, sein eigenes Programm gehabt, erinnern sich die Chormitglieder. Wer gerade nicht dirigierte, habe mitgesungen, beschreiben die Chormitglieder die unkonventionelle Arbeitsweise des A-cappella-Chors.

„Wir machen kein anspruchsloses Rudelsingen“

Mit ihrem Chor ist sie wie ein eingeschworenes Team: Ein Blick in die Runde, ein Fingerschnipsen, kaum merkliche Körpersprache, und schon stimmen 22 Kehlen, eine jede in ihrer Stimmlage, ein Summen, Brummen im Wechsel mit einem jallernden Singsang an. Den Beweis, dass sie neben den üblichen Sprachen auch in arabischer Sprache singen können, treten die Chormitglieder aus dem Stegreif an. Spanisch, Portugiesisch, Englisch, Französisch, keltische Stücke, ja sogar Koreanisch singen sie, verstehen sich als Menschen, die sich auch international aufstellen und sich durchaus unbequem zu Wort melden.

Ein großes Dankeschön formuliert Marion Kolbe: „Wir sind ein Laienchor, aber wir machen kein anspruchsloses Rudelsingen“, beschreibt Kolbe das selbst gesteckte anspruchsvolle Niveau des Börsenchors. Und ihre Chorleiterin arbeitet über all die Jahrzehnte ehrenamtlich als Chorleiterin. „Das war neben der Schule und als Mutter von kleinen Kindern eine Zeit lang sehr anstrengend“, erinnert sich Susanne Bender-Holl. Oftmals sei sie nach einem langen Arbeitstag müde zur Chorprobe gekommen. Das gemeinsame Singen habe aber immer eine vitalisierende Wirkung auf sie gehabt, und am Ende der Probe sei sie ausgeglichen und zufrieden gewesen, schildert sie die Wirkung des gemeinsamen Singens.

Kontrafaktur, das Umdichten bekannter Lieder mit aktuellen politischen Inhalten, beherrschen sie ebenso, wie die Interpretation von meist profanen Liedern aus der Zeit vom 16. Jahrhundert bis heute. Neben dem Singen gibt es auch immer wieder fachlichen Input, was die Sängerinnen und Sänger ebenfalls sehr schätzen.

Die Sanierung der Nordstadt – das Lied trägt den Titel „Neue Heimat – Bergische Wand“ –, die Schließung des Schwimmbades in Barmen, dem heutigen Brauhaus, oder die Umtextung von „Guten Abend, Gute Nacht“ auf die Atomkraft-Thematik sind nur einige Beispiele aus dem Repertoire, mit dem sich der Chor auch politisch kommentierend einmischt.