Begrabt mein Herz in Wuppertal Rastlose Wanderschaft

WZ-Kolumnist Uwe Becker über seinen Migrationshintergrund.

Uwe Becker ist Chefredakteur des Satiremagazins Italien.

Foto: Joachim Schmitz

„Migration ist die Mutter aller Probleme in Deutschland.“ Dieser Satz von Heimatminister Horst Seehofer hat viele Menschen in den letzten Tagen sehr beschäftigt. Migration heißt ja, Menschen suchen einen neuen Standort, eine neue Heimat. Für mich persönlich macht es überhaupt keinen Unterschied, ob Menschen aus Syrien oder Nigeria nach Wuppertal umziehen oder Familie Hagenkötter von Remscheid nach Solingen, weil die in Solingen lebende Großmutter von Frau Hagenkötter sehr krank ist, und man mit ihr in einem Haus wohnen möchte, um sie besser pflegen zu können. In beiden Fällen handelt es sich um Migration.

Ich muss dazu sagen, dass ich schon in meiner Kindheit fest davon überzeugt war, dass jeder Mensch auf dieser Erde, dort wohnen darf, wo er gerne möchte. Ich weiß, dass ich mit dieser Ansicht ziemlich alleine dastehe, allerdings ist der Eigentümer der Erde, nennen wir ihn einfach mal Herrgott, genau meiner Meinung. Ob Umzüge jetzt die Mutter aller Probleme in Deutschland sind, das möchte ich aber doch bezweifeln. Natürlich gibt es immer wieder Probleme mit Nachbarn, mit Mietern, wer kennt das nicht? Umzüge sind natürlich auch anstrengend und nervig. Oft muss man die neue Bleibe renovieren, Kisten packen, Klingelschilder schreiben, Transporter leihen und Freunde fragen, ob sie beim Umzug helfen.

Obgleich ich persönlich ja in Wuppertal auf dem Ölberg zur Welt kam, kann ich behaupten, ich habe jede Menge Migrationshintergrund. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie oft ich umgezogen bin, meinen Wohnraum gewechselt habe, um endlich einen Ort zu finden, den ich Heimat nennen durfte. 1958 bekamen meine Eltern ihre erste Wohnung in der Heckinghauser Straße, vorher wohnten wir bei meiner Großmutter am Hombüchel.

Meine nächsten beiden Versuche sesshaft zu werden, scheiterten in den Kleinstädten Sprockhövel und Hasslinghausen kläglich. Es gab oft Ärger mit den Nachbarn, weil ich gerne spät abends laute Beatmusik hörte. Wenn ich mal eine wirklich schöne Wohnung besichtigt hatte, gefielen dem Vermieter meine langen Haare nicht. Ich versuchte öfters in Barmen Fuß zu fassen, allerdings ohne Erfolg.

Als ich dann Anfang der 1980er Jahre in einer Wohngemeinschaft in der Tiergartenstraße unterkam, hoffte ich, meine Odyssee wäre beendet. Die Nähe zu den Produktionsstätten der Bayer AG, die unseren Pflanzen auf der Fensterbank gut tat, missfiel aber meiner Gesundheit und der meiner Mitbewohner. Es folgten weitere fünf bis sechs Umzüge innerhalb von Elberfeld und Unterbarmen.

Ich möchte nicht, dass hier der Eindruck entsteht, ich vergleiche meine Migration, meine rastlose Wanderschaft mit dem Schicksal einer Flüchtlingsfamilie, die unter Lebensgefahr in unsere Stadt kommt. Ich möchte eigentlich nur zum Ausdruck bringen: Ich habe keine Angst vor Migration, vor Menschen mit einer anderen Kultur. Es gruselt mich eher vor reinrassigen Gestalten wie Gauland und Seehofer, deren Mütter ich hier keineswegs eine Schuld zuweisen möchte, aber es ist schon so, dass uns diese beiden schlimmen Buben große Sorgen und Probleme bereiten.

Heute Abend schaue ich mir zur Entspannung mal wieder Alfred Hitchcocks „Psycho“ an. Anthony Perkins verkörpert in diesem Meisterwerk der Filmgeschichte den Motel-Besitzer Norman Bates, der wahrlich einen dicken Sack voller Probleme hatte, an denen seine Mutter nicht ganz unschuldig war.