Autokrise: „Die Situation war nie so dramatisch wie jetzt“

WZ-Interview: Ernst-Robert Nouvertné vom Kfz-Landesverband zur Autokrise.

Der Solinger Ernst-Robert Nouvertné, Vorsitzender des Kfz-Landesverbands, gehört zum Vorstand des Bundesgremiums und wurde in den Händlerbeirat von VW und Audi gewählt.

Nouvertné: Die Situation war noch nie so dramatisch wie jetzt. Wir werden uns künftig auf deutlich geringere Umsätze einstellen müssen. Wir kämpfen alle ums Überleben; der eine mehr, der andere weniger. Ich erwarte, dass 2009 nur noch 2,8 Millionen Pkw neu zugelassen werden. Nach der Wende waren es rund vier Millionen. Für den geschrumpften Markt sind die Händlernetze überbesetzt.

Die Netze werden neu aufgestellt. VW wird einer ganzen Reihe von Händlern finanzielle Abfindungen für den Ausstieg anbieten. Bei Audi soll das Servicenetz um mehr als die Hälfte reduziert werden. Audi hat zirka 700 Händler und 1300 Servicepartner. Bei BMW sind es dagegen insgesamt nur knapp 700.

In Solingen selbst haben wir kaum noch große selbstständige Autohäuser. Meines Wissens nach ist aktuell kein Betrieb gefährdet. In Wuppertal hat Gottfried Schultz die Niederlassung an der Kaiserstraße geschlossen und wird noch eine im Norden der Stadt schließen. Als Rückblick: Solingen hatte einmal fünf Opel- und fünf Ford-Händler. Viele Hersteller haben durch Insolvenzen und Aufgaben ihr Händlernetz ohnehin schon verkleinert.

Ich sehe drei Gründe. Erstens hat die arbeitende Bevölkerung keine Zuwächse beim Realeinkommen. In Europa liegt das deutsche Pro-Kopf-Einkommen mittlerweile im unteren Drittel. Außerdem hat man Angst vor der Zukunft: Die Sparquote ist von 2000 bis 2007 um 40 Prozent gestiegen. Zweitens sind die Autos alle teurer geworden. Drittens haben wir in unserem Land eine Vertrauenskrise.

Weder der Gutschein noch die Aussetzung der Kfz-Steuer haben Hand und Fuß. Wir brauchen eine deutliche steuerliche Entlastung der Bürger und auch eine Änderung der Dienstwagensteuer.

Eine richtig zündende Innovation hat es in den letzten Jahren nicht gegeben. Den ersten großen Schritt werden wir machen, wenn wir ein Elektroauto mit bezahlbaren Batterien haben. Der zweite große Schritt wäre die Brennstoffzelle. Was man allerdings zurzeit positiv anmerken kann: Es gibt von Seiten der Hersteller so großzügige Verkaufshilfen wie nie. Junge Gebrauchtwagen sind in Preis und Leistung besonders attraktiv. Und so günstig. wie man heute an ein Neufahrzeug kommt, wird es nie wieder.

Um es durchzustehen, müssen wir drei Parameter im Auge behalten, auf die wir Einfluss haben: die Kosten, den Einkauf und die absolute Kundenorientierung. Wir müssen deutlich kundenorientierter arbeiten. Die meisten Betriebe wissen, was die Uhr geschlagen hat. Das beweisen die neutralen Tests, die Autohersteller bei den Werkstätten durchführen lassen. An frühere Zeiten wird das Kfz-Gewerbe allerdings nie wieder anknüpfen. Aber wir können es erträglich gestalten.