Kultur Wuppertal: „Lola Blau“ hält die Balance von Ernst und Komik

Wuppertal · Miriam Kraft gibt Georg Kreislers One-Woman-Show alles und brilliert im Theater in Cronenberg.

Miriam Kraft spielt in „Heute Abend: Lola blau“ im TiC-Theater.

Foto: nn

„Im Theater ist was los“ ist die Erkennungsmelodie des Musicals „Heute Abend: Lola Blau“ – und das Theater in Cronenberg löst dieses Versprechen grandios ein. Bei der Premiere im ausverkauften Atelier Unterkirchen war jede Menge los, als Miriam Kraft in Georg Kreislers One-Woman-Show ihr Bestes gab. Sie stellte Lola nicht bloß dar, sie war die lebenslustige, aufstrebende Schauspielerin. Strahlend wandte sie sich dem Publikum zu, suchte das Gespräch, pendelte spielend und singend zwischen Bühne und Saal. Die Zuschauer reagierten abwechselnd mit gebannter Aufmerksamkeit und ausgelassenem Beifall.

Bei allem Theaterglamour kann Lola Blau nicht vergessen, dass sie in den 1930er-Jahren das Schicksal unzähliger jüdischer Emigranten teilt. Nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland flieht die naive Künstlerin („Ich kümmere mich nicht um Politik“) in letzter Minute. Wie die Elberfelder Dichterin Else Lasker-Schüler wird Lola in der Schweiz von der Fremdenpolizei drangsaliert. Wieder ist Glück im Spiel, als sie in die USA einreisen darf und ihre Karriere endlich Fahrt aufnimmt.

Doch die Unsicherheit bleibt. Was ist mit dem Geliebten passiert, hat er überlebt? Ist der „American way of life“ das Richtige für sie? Die Biografie ihres Schöpfers Georg Kreisler scheint durch, als Lola in das Land zurückkehrt, das einmal ihre Heimat war. Bald muss sie feststellen, dass sich auch nach dem Ende der Naziherrschaft die antisemitischen Vorurteile halten: Mit diesem Befund schlägt das Stück den Bogen zur Gegenwart.

Vor diesem Hintergrund war es bedeutungsvoll, dass Tic-Geschäftsführer Ralf Budde seine Inszenierung am 9. November, dem Tag der Reichsprogromnacht, auf die Bühne brachte. Auch in diesem Punkt konnte der Regisseur auf Miriam Kraft zählen. Nach starken Auftritten in „Blues Brothers“ und „Sister Act“ wird die klassisch ausgebildete Sängerin nun dem tragikomischen Stoff von „Lola Blau“ gerecht, sie lässt die skeptisch-leisen Balladen ebenso frei atmen wie die schmissigen Melodien.

Dass in gut zwei Stunden alles rund läuft, verdankt sich natürlich auch dem Mann am Klavier. Mit großer Geste stellt Kraft ihren Partner vor: „Ladies and Gentlemen: Stefan Hüfner!“ Der musikalische Leiter des Tic bringt den Charme der Bühnenmusik voll zur Geltung, Kreislers Melange aus Jazzakkorden und europäischer Phrasierung ist das ideale Material für seine Live-Improvisationen. Wenn Hüfner etwa eine schräge Version der „Stars and Stripes“-Hymne spielt, ist das ein Vorgeschmack auf Krafts Flirt und Tanz mit der amerikanischen Flagge.

Vom schlichten Trenchcoat bis zum Glitzerkleid – dank Kostümbildnerin Maya Fichtel legt Kraft einen stilechten Auftritt nach dem anderen hin. Ihre Wandlungsfähigkeit beweist sie nicht nur durch den Wechsel des Outfits. Ähnlich schnell ändert die Schauspielerin Stimmlage und Akzent, überzeugt sie mit Wiener Schmäh oder Berliner Schnauze.

Symbolträchtig ist das Bühnenbild von Jan Bauerdick, das abgegriffene Reisekoffer, Telefon und Radioempfänger versammelt. Auf ihrer Flucht bleibt Lola allein das Telefon, um mit Freunden und Verwandten zu kommunizieren. Derweil läuft im Radio die Musik der Dreißiger- und Vierzigerjahre. So gern die Flüchtende Schlager und Swing hört, sie kann nicht den Naziliedern entkommen. Unterbricht die Stimme von NS-Propagandaminister Goebbels das Programm, wirken seine Hetzparolen auf den heutigen Hörer so furchteinflößend wie damals schon.

Das Tic-Theater zeigt „Heute Abend: Lola Blau“ wieder ab Sonntag, 17. November. Karten unter 0202-472211 oder www.tic- theater.de