„Echoes of 78“ Wuppertaler Tanztheater: Den ursprünglichen Ton und Stil von „Kontakthof“ zeigen, den Pina wollte

Wuppertal · Meryl Tankard realsiert "Echoes of 78" - eine Kombination aus Livetanz mit Protagonisten der Originalbesetzung und Filmaufnahmen von damals.

Jan Minarik, Jo Ann Endicott und Meyl Tankard in „Kontakthof“ 1978.

Foto: Ulli Weiss copyright Pina Bausch Foundation

Sie war vieles an vielen Orten dieser Welt. Der Titel des ausgezeichneten Films „Sydney an der Wupper“ aus dem Jahr 1982, der ihr gewidmet ist, trifft es wie der berühmte Nagel auf den Kopf. Meryl Tankard, die Co-Autorin und Darstellerin des Films von Bettina Woernle, war Tänzerin in ihrem Heimatland Australien und bei Pina Bausch, Theaterdirektorin, Regisseurin und Leiterin einer Tanzkompagnie. Nun macht sie den Wuppertalern, ihren ehemaligen Kolleginnen und Kollegen und sich selbst ein besonderes Geschenk: Eine einzigartige Begegnung mit Pina Bauschs Stück „Kontakthof“, das sie selbst mitgeprägt hat und nun neu inszeniert: Als „Echoes of 78“, eine Interaktion zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Als Meryl Tankard Pina Bausch kennenlernte, war sie 22 Jahre jung, hatte einen mit 1000 Tausend Dollar dotierten Preis für ihre erste Choreografie und ein Stipendium in Australien in der Tasche. Sie war nach Europa gereist, um sich Ensembles anzuschauen, weil sie „fühlte, dass ich mich verändern wollte“. Freunde rieten ihr, „diese Frau in Wuppertal“ kennenzulernen. Sie sagten, „ich würde sie lieben, das, was sie tat“. Sie tat, wie geheißen und „war einfach überwältigt – diese Styroporberge und Mädchen, die sprechen und singen“. Jo Ann Endicott riet ihr, an einer Audition teilzunehmen, weil sie aber einen Vertrag in der Tasche hatte, schaute sie sich zunächst Proben für Pina Bauschs Macbeth in Bochum an. „Ich trug eine 1940er Jahre Cocktail-Jacke mit Fell, Pina sah mich aus der Ferne, lächelte.“ Und nahm sie in die Proben auf. Die fordernd, lang und anstrengend waren und mit der Einladung zur Audition endeten. Die wiederum eine eigene Herausforderung darstellte mit Bewegungen aus „Le Sacre du printemps“. Am Ende stand das Angebot, Mitglied der Compagnie in Wuppertal zu werden.

Szene aus „Kontakthof“ mit dem aktuellen Ensemble des Tanztheaters Pina Bausch.

Foto: Ursula Kaufmann

Tankards erstes Stück war „Café Müller“, direkt 1978 folgte „Kontakthof“. Ein Stück über die Selbstpräsentation, „wie man sich darauf vorbereitet, jemanden zu treffen, auf eine Situation, in der man sein Bestes geben, attraktiv aussehen, alle Probleme loswerden will“. Das Ikonische, so Tankard, sei, dass die Tänzer dem Publikum direkt in die Augen schauen, „das hatte es im Tanz zuvor nicht gegeben“. Viele Leute sagten, „du hast mit mir geflirtet“, das sei die größte Überraschung, der größte Schock gewesen, „diese Mauer zu durchbrechen und das Publikum direkt anzuschauen“. Für sie selbst ein fantastisches Erlebnis, das sie liebte. Ein Gefühl, das nun wiederkehrte, als sie Aufnahmen von damals sah, die Rolf Borzik gemacht hatte. Sie habe erkannt, „wie einfach es war, wie wir es gemacht haben. Sehr ehrlich, ohne Übertreibung, nicht zu dramatisch. Wir waren einfach wir selbst“.

Mit Jo Ann Endicott gab sie ein Revuegirl, zwei Lolitas in langen rosafarbenen Spitzenkleidchen, händchenhaltend über die Bühne tanzend – ein Spiel aus Neckerei und Mädchenhaftigkeit. Als Zehnjährige hatte Meryl im thailändischen Malaysia gelebt, weil die Familie durch ihren Vater, der bei der Royal Australien Airforce arbeitete, dorthin versetzt worden war. Sie besuchten einen Tanzsaal, in dem alle Frauen rosafarbene Kleidung trugen und Nummern hatten, die Männer durften mit ihnen tanzen. Das war 1966, ein seltsames Erlebnis, das sie 1978 Rolf Borzik erzählte. Am nächsten Tag kaufte er die rosafarbenen Kleider für „Kontakthof“, das Stück, in dem es um das Anbandeln ging.

Die aktuelle Beschäftigung mit „Kontakthof“, einem Schlüsselwerk von Pina Bausch, kam durch Salomon Bausch, Vorsitzender der Pina Bausch Foundation, zustande, der Tankard bat, mit der Originalbesetzung daran zu arbeiten. Keine neue Idee, der Bedenken entgegenstanden, ob des Alters, des Wissens um eine existierende Ausgabe mit Senioren (“Kontakthof mit Damen und Herren ab 65“ aus dem Jahr 2000). Tankard besprach sich mit Endicott, erkannte den Reiz der Originalbesetzung, schaute sich alte Videos an. Sie fing Feuer, „weil ich das Gefühl spürte, etwas zu sehen, was ein bisschen verloren gegangen war“. Den ursprünglichen Ton und Stil, den Pina wollte und den sie nun den Leuten zeigen will.

Sie fing an zu arbeiten, entdeckte wunderbare Details in Borziks Schwarzweißaufnahmen mit ihren schwierigen Schnitten, schöne Aufnahmen aus nächster Nähe. Details, die oft unbemerkt blieben, weil so viel auf der Bühne passiert. Sie schuf eine Struktur, für die Kombination aus Material und dem Wissen, das sie über die Essenz des Stücks hat, nannte sie Echos, wissend, dass der Umgang mit Pinas Werk mächtig Druck erzeugt, weil sie es nicht beschädigen, die Essenz erhalten will. Nun lässt sie die Tänzer und Tänzerinnen mit ihren jüngeren Ichs arbeiten, was ziemlich bewegend sei.

Sechs Tänzer von damals leben nicht mehr, einige fühlen sich zu alt, nicht mehr körperlich in der Lage, immerhin sieben von Neunzehn wollten mitmachen, es wurden acht, jüngst stieß noch Ed Kortlandt hinzu, der zunächst abgesagt hatte und nun „so schön aussieht und in das Kostüm von damals passt“. Die Freunde, die nicht mehr dabei sein können, sollen nicht ersetzt werden, ihre Abwesenheit soll spürbar sein.

Tankard selbst tritt auch wieder auf. Eine Herausforderung, weil sie sehr pingelig sei, weil sie nicht wusste, ob die anderen ihre Regie akzeptieren würden. Nun steht sie wieder neben Endicott, die fantastisch sei, unglaublich, voller Energie, stark in ihrem Körper, während sie selbst lange nicht mehr getanzt habe.

Details entdeckt, die man damals auf der Bühne nicht sehen konnte

Seit März arbeitet sie an dem Projekt, sammelte Material, kümmerte sich auch um die Musik und die Stimmen der Tänzer, die nicht mehr dabei sind, nicht um zu rekonstruieren, sondern um Echos zu zeigen, auch auf die Abschnitte, die sie liebt, was besonders schwierig ist, wenn es keine Aufnahmen gibt. Dafür entdeckte sie andere Details, die neu für sie sind, weil sie selbst damals handelte und nicht alles sehen konnte, was andere machten. Nahaufnahmen kleiner Szenen, von Lutz Förster, eine Szene mit ihm und Silvia Kesselheim. Eine Szene, die sie wie andere nun hineinmontiert. Sie habe versucht, den Geist einzufangen, nicht zu dokumentieren.

„Kontakthof - Echoes of 78“ ist eine anderthalb Stunden lange Kombination aus Film und Livetanz in der Oper Wuppertal. Mit drei Projektoren, von vorne, von der Rückwand, je nach Akt – die Fokussierung wechselt, richtet sich mal mehr auf das Live-, mal mehr auf das Film-Geschehen.

Vor Kurzem arbeitete Meryl Tankard noch in Kent an der Produktion. Ende Oktober sollte es nach Wuppertal gehen. Im Juli war sie mit Jo Ann Endicott in der Lichtburg gewesen, es fühlte sich an, als hätte sich seit 1978 nichts geändert. Der Körper erinnerte die Bewegungen, die Emotionen, „ich konnte genau spüren, wie ich das Publikum angeschaut habe“. Die vielen Proben mit Pina machten sich bezahlt, auch in der Zusammenarbeit mit den anderen Tänzerinnen und Tänzern, alle seien sehr enthusiastisch. Sodass sie manchmal ihr Alter vergesse und immer weitermache und danach seien alle dann sehr müde.