Herr Schneidewind, wir würden gerne mit Ihnen über Ihre Zukunft sprechen. Wie sehen Sie selbst Ihre Amtszeit als OB?
Bilanz, Fehler, neue Kandidatur Wuppertals OB Schneidewind: Schaue mit Sorge auf Polarisierung um meine Person
Interview | Wuppertal · Was sagt Wuppertals Oberbürgermeister Uwe Schneidewind über seine Bilanz, seine Fehler und eine mögliche neue Kandidatur? Das große Interview.
Uwe Schneidewinds Büro im Barmer Rathaus ist groß. Der Schreibtisch von Johannes Rau steht in der Ecke, am Arbeitstisch erklärt der Wuppertaler Oberbürgermeister, wie er seine Zukunft sieht. Und die der Stadt. Und was das nach der Kommunalwahl im kommenden Jahr noch miteinander zu tun haben könnte.
Uwe Schneidewind: Mir hat ein sehr prominenter Bundespolitiker mal gesagt: Herr Schneidewind, lösen Sie keine Probleme, die da draußen keiner kennt. Da können sie nur verlieren. Da habe ich gemerkt, was mein Problem in den letzten vier Jahren war. Für mich war aber immer klar: Am Ende ist es entscheidend, wie die Struktur und die Kultur in der Organisation sind. Das entscheidet über die Wirkmächtigkeit der Verwaltung und der Stadt.
Was haben Sie daraus abgeleitet?
Schneidewind: In vielen Bereichen von Politik und Verwaltung haben wir einen umfassenden Kulturwandel gebraucht, darauf habe ich mich gestürzt. Und draußen haben sich Menschen gefragt, was ich den ganzen Tag mache. Dieser Spagat ist sehr herausfordernd. Für mich ist es eben wichtiger, regelmäßig mit den Führungskräften im Gespräch zu sein, viel nach innen zu investieren. Dass das Probleme in der Außenwirkung bereitet, liegt daran, dass ich als Systemfremder gekommen bin. Andere Kollegen bekommen diesen Spagat besser hin, weil sie lange in der Stadt engagiert waren und die Menschen hohes Vertrauen hatten.
Was schließen Sie daraus für die Zukunft?
Schneidewind: Oberbürgermeister sein ist wie ein Zehnkampf. Und ich spüre, dass es dabei ein, zwei Disziplinen wie Vertrauen und Bürgernähe gibt, die eben dazu gehören. Und wenn man dabei dann bei 1,50 Metern die Latte reißt, dann kann man den Zehnkampf nicht mehr gewinnen.
Also werden Sie bei den nächsten Wahlen im Herbst 2025 nicht mehr antreten.
Schneidewind: Ich frage mich, was Wuppertal braucht und der Stadt gut tut. In den letzten Wochen schaue ich mit Sorge auf die Polarisierung in der politischen Diskussion, wenn es um meine Person geht. Will man der Stadt einen Wahlkampf zumuten, der sehr stark von diese Polarisierung dominiert ist und damit personenbezogen und rückwärtsgewandt läuft? Oder kann es für die Stadt sehr viel besser sein, wenn ich bewusst sage, dass ich mich aus dem Spiel nehme und stattdessen zwei gute Kandidatinnen über die Zukunft dieser Stadt streiten?
Die Antwort haben sie schon gefunden.
Schneidewind: Im Grunde ja. Mir ist wichtig, dass es eine Fortsetzung dessen gibt, was wir in den letzten fünf Jahren strukturell auf den Weg gebracht haben. Wenn die Parteien Personen aufstellen, die diese inhaltliche Kontinuität mitbringen und Stadtgesellschaft und Politik versöhnen können, würde mir die Antwort auf diese Frage sehr leicht fallen. Wenn ich aber den Eindruck habe, dass eine Rolle rückwärts für die Stadt droht, dann würde ich nochmals intensiv nachdenken.
Sie halten sich das noch offen?
Schneidewind: Genau. Weil bisher ja auch nicht absehbar ist, wer aufgestellt wird. Aber es sind ja eine ganze Reihe unterschiedlicher Namen insbesondere von Frauen im Gespräch, die ich begrüßen würde. Wenn man sich überlegt, dass wir vor fünf Jahren einen rein männlichen Verwaltungsvorstand hatten, dann sind wir weiter.
Hielten Sie das, was Sie hinterlassen, für gut aufbereitet?
Schneidewind: Jemand, der jetzt das Oberbürgermeisteramt im nächsten Herbst übernimmt oder fortführt, trifft auf einen Verwaltungsvorstand, der nicht nur fachlich, sondern auch in personellem Zusammenspiel toll besetzt ist. Jetzt merke ich, dass das mit den neuen Teammitgliedern viel Spaß macht. Die haben Lust, hier etwas zu gestalten. Und natürlich wird man im nächsten Herbst ein sehr viel weiterentwickeltes Buga-Projekt übernehmen können. Ich hoffe, dass wir dann auch beim Pina Bausch Zentrum weiter sind. Wir haben einen Kämmerer, der eine solche Stadt auch unter schwierigen Bedingungen leistungsfähig halten will.
Ein Kämmerer, der ein 153 Millionen Euro Loch im Haushalt verkünden musste.
Schneidewind: Thorsten Bunte hat bei seiner Steuerung einen extrem hohen Anspruch an Transparenz und Klarheit. Wir kommen da ja aus einem System, das teilweise von Intransparenzen lebte und damit Macht und Einflussmöglichkeiten an einzelnen Stellen konzentrierte.
Sie meinen die Amtsführung unter Ihrem Widersacher Johannes Slawig, heute CDU-Chef?
Schneidewind: Das ist nicht nur eine Frage einer einzelnen Amtsführung. Bunte führt neue Steuerungsinstrumente ein, die anderes Miteinander und Verhandeln ermöglichen. Das erzeugt auch Friktionen. Früher rief man in der Kämmerei an und war schnell durch, wenn der Draht stimmte. Thorsten Bunte verlangt systematische Darstellungen. Das wird sich mittelfristig auszahlen. Auch ein Haushaltssicherungskonzept sieht er nicht als etwas Bedrohliches, sondern priorisiert noch intensiver. Gestaltungsmacht wird geteilt. Es wird argumentiert.
Man könnte den Eindruck bekommen, Sie haben Lust zu bleiben.
Schneidewind: Ich bin mit der Ambition zu verändern gestartet. Und habe mich im Krisenmanagement bei sehr feindlicher Grundstimmung wiedergefunden. Die ersten eineinhalb Jahre waren die Hölle. Der Konflikt mit Slawig hat das nicht besser gemacht. Jetzt spüre ich, was den Charme dieses Amtes ausmachen kann. Meine Befindlichkeit ist aber nicht entscheidend. Das Schlimmste wäre, ich würde die nächste Wahl gewinnen und es bleiben zwei gedemütigte Großparteien. Dann geht nichts voran.
Was ist die Alternative?
Schneidewind: Ich habe das Privileg, mir mein weiteres Leben in freudvoller Form vorstellen zu können, deshalb bin ich gelassen. Ich frage mich: Würde ich mich selbst wählen?
Wir denken: ja.
Schneidewind: Wahrscheinlich. Aber eigentlich würde ich nie wieder jemanden zum Oberbürgermeister wählen, der nicht tief in der der Stadt verwurzelt ist. Und das bin ich ja nicht. Ich habe gemerkt, das Vertrauen in der Lokalpolitik die zentrale Kategorie ist. Vielleicht gibt es ja eine breite Einigung für eine Kandidatin. Mein Rückzug würde ja auch dazu führen, dass die Grünen sehr viel freier auf andere Parteien zugehen könnten. Das kann die Chancen für eine Kandidatin einer großen Partei vergrößern.
Würden Sie sich überhaupt eine erneute Chance ausrechnen, selbst Oberbürgermeister bleiben zu können?
Schneidewind: Ich hätte totale Lust auf Wahlkampf. Im Jahr 2020 hat ja eine Stadtgesellschaft eine mutige Entscheidung getroffen, die Aufbruch und Sichtbarkeit der Stadt nach außen hieß. Würde ich gestrige Mitbewerber haben, glaube ich, dass man durch einen klar zukunftsorientierten Wahlkampf einen Teil dieser gesamten Wählerbasis noch einmal mobilisieren kann.
Wie entscheiden Sie das?
Schneidewind: Mit dem engsten Umfeld, mit der Partei und zuerst mit meiner Frau. Sie kann am besten einschätzen, ob meine Entscheidung eine gute Basis hat.
Was würden Sie machen, wenn Sie nicht mehr OB sind?
Schneidewind: Es gibt sicher Resonanzräume da draußen, in denen ich wirken kann. Ich würde mir aber eine Abklingphase gönnen und tief in mich hineinhören. Aber es stehen bis dahin noch viele Aufgaben an, die ich mit Kraft angehe.
Zum Beispiel ein beträchtliches Haushaltsloch.
Schneidewind: Das Loch entsteht durch strukturelle Effekte. Also durch Entscheidungen, wie wir sozialpolitische und integrationspolitische Entscheidungen treffen und davon ein großer Teil finanziell bei den Kommunen hängen bleibt. In Städten mit besonderer Sozialstruktur wie Wuppertal schlägt das voll durch. Es geht hier um Steuerausfälle. Und das andere sind mehr Aufwendungen im sozialen Bereich. Die Frage, wie Perspektive für die Kommunen aussehen kann, wird sich vor allem über die nächste Bundesregierung entscheiden. Wird Wirtschaft wieder neu ankurbelt? Kommt es dann zu kommunalen Entlastungen?.
Die Kommunen sind unterfinanziert.
Schneidewind: Wir müssen grundsätzlicher über die Frage von Staats- und Stadtorganisationen nachdenken. Es gäbe einfache Mechanismen in dem System, um viel Geld zu sparen. Etwa bei den Förderlogiken: Wir beschäftigen Leute, die Anträge stellen. Auf der anderen Seite Menschen, die das kontrollieren. Stattdessen könnte man sagen: Hier habt ihr Städtebaumittel nach einem Verteilungsschlüssel, wir vertrauen euch, dass ihr etwas Gutes daraus macht. Das wäre Bürokratieabbau. Solche Diskussionen brauchen wir. Und das ist ein Feld, auf dem ich meine Erfahrungen auch aus meinen vorangegangenen Stationen einbringen könnte.
Könnten Sie sich auch vorstellen, in einer zukünftig schwarz-grünen Bundesregierung mitzuwirken?
Schneidewind: Nein. Ich habe die toxischen Eigenlogiken im politischen System erlebt. Das ist auf kommunaler Ebene noch erträglich, weil das an Begegnungen mit Menschen vor Ort gekoppelt ist. In Düsseldorf oder Berlin bist du aber nur noch in diesem System. Das will ich mir auf keinen Fall zumuten. Da bin ich mit meiner Frau auch sehr einig, weil es mir nicht guttut.
Was haben Sie in Ihrer Amtszeit besonders gut gemacht und was besonders schlecht?
Schneidewind: Ich glaube, dass wir Verwaltung und Großprojekte strukturell wie kulturell auf ein festes Fundament gestellt haben. Damit können wir die Zukunftsherausforderungen sehr viel besser meistern. Was mir natürlich sehr schlecht gelungen ist, ist die politische Integrationsaufgabe. Ein Oberbürgermeister, der drei federführende Fraktionen im Wesentlichen als Opposition gegen sich hat, den kann man jetzt nicht als genialen politischen Führer bezeichnen.
Was hätten Sie besser anders gemacht?
Schneidewind: Ich spüre am eigenen Leib, was es bedeutet, ohne eine eigene Mehrheit zu gestalten. Ich hatte mich nach der Wahl zu sehr auf einzelne politische Akteure verlassen, die eine Erweiterung der bestehenden Kooperation nicht wollten. Mit mehr machtpolitischem Pragmatismus hätte man vermutlich auch andere Mehrheiten schließen können. Da wäre ich nahe an die Selbstverleugnung gekommen, aber das ist eine Empfindlichkeit, die man sich im harten politischen Geschäft vermutlich nicht erlauben darf. Es hätte die jetzige politische Fundamentalopposition verhindern können.