„Wuppertals Wandel ist ein Beispiel für Städte in aller Welt“

Professor Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts, sieht die Stadt als spannendes Forschungsfeld.

Foto: Andreas Fischer

Herr Schneidewind, wie erleben Sie die Baustelle Döppersberg vor Ihrer Haustür?

Uwe Schneidewind: Als Sinnbild für die Transformation, in der sich die gesamte Stadt befindet. Weil die Veränderung von Städten ein Schlüsselthema für unser Institut ist, hat diese Baustelle eine große Symbolkraft. Für unsere Mitarbeiter ist sie zwar mit erheblichen Einschränkungen in der Arbeitsqualität verbunden, weil viele der Arbeiten eben doch sehr laut sind. Aber im Wissen darum, dass die Baustelle die Stadt voranbringt, sind wir alle gerne bereit, diese schwierige Übergangsphase möglichst produktiv zu gestalten und uns dann zu erfreuen, wenn das Projekt beendet ist.

Viele Wuppertaler müssen Umwege in Kauf nehmen. Wie wird die Öko-Bilanz nach den Jahren der Bauzeit ausfallen?

Schneidewind: Wir sind gerade dabei zu analysieren, was insbesondere die B 7-Sperrung für das Verkehrsverhalten in Wuppertal bedeutet. Wir sind gespannt, wie groß die wirklich gefahrenen Umwege sind. Oder ob das nicht in einigen Bereichen dazu führt, dass eine Reihe von Wuppertalern jetzt einen neuen Anreiz haben, den besser getakteten Öffentlichen Nahverkehr zu nutzen — oder spätestens zu Beginn des kommenden Jahres, wenn die Nordbahntrasse durchgängig befahrbar ist, auf das Fahrrad umsteigen. Aktuell können wir zur Umweltbilanz noch nichts sagen, aber wir werden versuchen, dazu beizutragen, dass sie positiv ausfällt.

Kann man sagen, dass Sie in Wuppertal Ihr Forschungsfeld direkt vor der Haustür haben?

Schneidewind: Ja, das kann man genau so formulieren. Wir haben uns als Institut immer mit einer sehr globalen und nationalen Perspektive um Wandlungsprozesse hin zu einer nachhaltigen Entwicklung gekümmert, und seit einigen Jahren immer deutlicher gespürt, was für faszinierende Prozesse direkt vor unserer Haustür ablaufen. In den nächsten Monaten und Jahren wird das in unserer Arbeit eine viel wichtigere Rolle spielen als in der Vergangenheit.

Welche Projekte planen Sie?

Schneidewind: Wir werden vermutlich ab Anfang des nächsten Jahres in einem größeren Projekt, das vom Forschungsministerium finanziert wird, die tollen Aktivitäten von Utopiastadt am Mirker Bahnhof begleiten. Da ist vieles auf dem Weg. Im Arrenberg-Viertel gibt es die Vision, das erste klimaneutrale Quartier in einer Großstadt auf den Weg zu bringen. Wir führen auch intensive Gespräche mit dem Quartiersmanagement in Wichlinghausen. Ein Stadtteil mit großen sozialen Herausforderungen.

Warum ist Wuppertal als Stadt besonders interessant?

Schneidewind: Knappe öffentliche Haushalte, eine zunehmend multikulturell zusammengesetzte Gesellschaft, der Umgang mit industriellem Strukturwandel — das sind Faktoren, die finden sie in vielen anderen Regionen, aber auch anderen Nationen, wenn sie an den Umbruch der Industriegesellschaften in Osteuropa oder künftig in China denken. Wuppertal war im 19. Jahrhundert eine der zentralen Transformationsorte der industriellen Revolution. Mit allem — man denke nur an Friedrich Engels — was damit zusammenhängt. Die Vision, dass Wuppertal eine Schlüsselrolle in den Transformationsprozessen des 21. Jahrhunderts haben könnte, hat eine gewaltige Kraft. Eine Kraft, die dazu führt, dass die Geschichten und Beispiele, die man aus Wuppertal erzählen kann, vermutlich viel bereitwilliger national und international gehört werden, als wenn sie aus einer anderen Stadt erzählt würden.

Wie könnte das bessere Wuppertal der Zukunft aussehen?

Schneidewind: Für uns ist wichtig, dass wir uns nicht nur an rein monetären Größen wie dem Bruttosozialprodukt orientieren, sondern an einem erweiterten Set an Lebensqualitätsfaktoren. Wie stärke ich den sozialen Zusammenhang? Wie verbessere ich Gesundheit und Wohnverhältnisse, wie schaffe ich Naherholungs- und ökologische Qualität? Wie schaffe ich mehr Möglichkeiten für soziales Engagement? Dies alles sind Fragen, die uns beschäftigen und die einen zentralen Einfluss auf wahrgenommene Lebensqualität in einer Stadt haben.

Sie wollen Netzwerke knüpfen. Wer sitzt mit im Boot?

Schneidewind: Viele aus dem Bereich der sozialen und bürgerschaftlichen Bewegungen. Die Wuppertalbewegung. Dann Initiativen wie die von Jörg Heynkes und der Villa Media im Arrenberg-Viertel. Es gibt viele Engagierte auf dem Ölberg, mit denen wir im engen Austausch sind. Die Stadtverwaltung und Unternehmen, die im Hinblick auf die Entwicklung Wuppertals immer wieder die Initiative ergreifen. Das reicht von den Stadtwerken über die Sparkasse bis zu der Gepa oder der Barmenia, die im Versicherungsbereich national einer der Nachhaltigkeits-Vorreiter ist. Und nicht zuletzt die Bildungsinitiativen. Dazu gehört neben der Hochschule insbesondere die Junior Uni, wo sich mit den jungen Forschern solche Transformationsprozesse begleiten ließen.