Natur Zwischen Kiwis, Wildromantik und Insekten: Die neue Gartenphilosophie in Wuppertal
Wuppertal · Die jungen Wilden bereichern das Leben im Kleingarten – Kira Gees achtet auf Vielfalt und Klimaschutz, experimentiert aber auch gern.
Kleingärtner sind Spießer. Sie haben die Rente durch und leben in einer Kolonie mit fest verankerten Regeln, die durch die Vereinssatzung und das Bundeskleingartengesetz bestimmt werden. Sie lugen hinter der Hecke hervor, um zu prüfen, ob der Rasen des Nachbarn akkurat gemäht, das Gemüsebeet rechtwinklig angeordnet ist und kein Wildwuchs die Ordnung stört.
Das sind gängige Klischees. Und sie weichen auf. Denn Schrebergarten kann auch jung. Sogar der Naturschutzbund sieht die Kleingartenvereine im Wandel und bezeichnet die neue Interessengruppe als „junge Wilde“. Zu ihnen gehören Kira Gees und Maik Widera aus Wuppertal. Vor einem Jahr hat das Paar eine Parzelle im Kleingärtnerverein Hoffnung gepachtet. Es übernahm das Grundstück im Falkenweg von einem Ehepaar, das aus Altersgründen aufgeben musste.
Kira Gees ist 33 Jahre alt, wohnt in der Nähe des Zoologischen Gartens und hat Arnold mitgebracht. Der Mischlingshund ist aufmerksam und begrüßt jeden vorbeikommenden Gast mit einem Bellen. Gees liebt den Einklang mit der Natur – nicht nur privat, sondern auch beruflich, denn sie ist Lehrerin für Biologie und Deutsch an einer Gesamtschule in Langenfeld.
Ihr Garten nimmt Anleihen am klassischen Bauerngarten. Neben der hölzernen Pforte findet sich ein kleiner Teich mit Seerosenblättern. Sträucher mit Stachelbeeren sowie roten und weißen Johannisbeeren recken sich in die Höhe. „Daraus machen wir Marmelade.“ Die Terrasse ist mit einem Kiwibaum dicht bewachsen, seine Blätter sind mitunter 20 Zentimeter lang. Er dient nicht nur als Sichtschutz, sondern auch als exotisches Experiment. Im Herbst könnte er die ersten Früchte tragen; die Ansätze sind schon da. In Kürze kommt ein Hochbeet hinzu.
Die Gartenphilosophie der 33-Jährigen setzt sich daher aus mehreren Bausteinen zusammen: In ihrer entspannten Art hat sie bei der Bepflanzung die Ambition, „auszuprobieren und abzuwarten“. Insektenfreundlich soll sie sein und der zunehmenden Hitze standhalten. „Hortensien und Astilben zum Beispiel werden ein Problem bekommen, weil sie viel Wasser benötigen.“ Die Gießkanne aus Zink, die sich als Dekoelement in Szene setzt, wird buchstäblich nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. „Deshalb haben wir Regentonnen an die Dachrinne angeschlossen.“ Aber auch das dürfte langfristig keine Lösung sein. So wächst vor der Laube ein leuchtend grüner Trompetenbaum mit ausgiebiger Krone empor. Er spendet Schatten. Und Schatten ist in der Zeit des Klimawandels nicht nur für die Schrebergärtner, sondern auch für die Pflanzen wichtig.
Die Laube wird gerade
im Vintage-Stil renoviert
Letztlich braucht es Charme. Ein Rasenkantenschneider kommt hier nicht zum Einsatz. Stattdessen sind die Pflanzen so gesetzt, dass sie im Stil eines englischen Cottagegartens ineinander übergehen. Das macht es wildromantisch „und hat den Vorteil, dass die Erde nicht so schnell austrocknet“, begründet Gees die Strategie.
Den Garten sieht sie auch als Rückzugsort. Der Lehrerberuf sei bereichernd, das „Drumherum“ werde jedoch immer herausfordernder. „Nach dem Unterricht kann ich hier sitzen, Stunden vorbereiten oder Arbeiten korrigieren.“ Dafür ist allerdings noch etwas Arbeit nötig, denn die Laube ist bislang eine Baustelle: „Das Häuschen war heruntergerockt“, beschreibt sie den vormaligen Zustand. „Wir haben die Fassade neu gespachtelt und verputzt.“
Der Innenraum gleicht noch einer Abstellkammer. Dort stapeln sich Rattansessel und Gartenstühle aus Metall. In der Ecke steht die Toilette, daneben eine Küchenzeile mit Waschbecken. Ein Holzregal, das zuvor der Marke „Eiche rustikal“ entsprach, hat Kira Gees in „nordisch kreide“ gestrichen. „Ich brauche nicht viel Neues, ich mag den Vintage-Stil“, erklärt sie und arbeitet Möbel, die sie zum Teil von ihrer Oma geerbt hat, dezent auf. In den nächsten Wochen wird sich das Durcheinander sortieren. Ein Kühlschrank kommt rein, vielleicht noch ein Fernseher mit Satellitenschüssel.
Wie sich ihre Parzelle in den nächsten Jahren entwickeln wird, kann sie nicht abschätzen. „Ich bin auch lieber im Hier und Jetzt“, sagt sie und strahlt. „Alles andere kommt so, wie es kommen soll.“