Anschlag gibt noch immer Rätsel auf
Auch ein Jahr nach Überfall auf Polizeichef fehlen Hinweise.
Passau. Auch ein Jahr nach dem Attentat auf den ehemaligen Passauer Polizeichef Alois Mannichl gibt der Fall noch Rätsel auf. Nach wie vor gibt es keine Spur von dem Täter. Die Vermutung, dass das Verbrechen der Racheakt eines Neonazis war, konnte bis heute nicht bestätigt werden. Die Ermittler vom Bayerischen Landeskriminalamt (LKA) in München schließen aber aus, dass Mannichls Angehörige etwas mit dem Mordanschlag zu tun haben.
Mittlerweile hat das LKA die Sonderkommission erneut verkleinert, auf zehn Mann, wie LKA-Sprecher Detlef Puchelt berichtet. In den Wochen nach der Tat waren teilweise mehr als 50 Beamte abgestellt. Insgesamt haben die Ermittler in den vergangenen zwölf Monaten rund 3000 Hinweise und Spuren erhalten und fast 2100 mögliche Zeugen und Verdächtige befragt. Etwa 400 Spuren müssen noch abgearbeitet werden. Derzeit sei nicht absehbar, wie lange die Untersuchung noch dauere.
Nach den Angaben Mannichls hat sich am 13. Dezember 2008 folgendes ereignet: Der Täter klingelt am späten Nachmittag an der Tür von Mannichls Reihenhaus in Fürstenzell bei Passau. Als der Beamte öffnet, soll der Mann ihn mit einem rechtsextremistischen Spruch beleidigt und zugestochen haben. Der schwer verletzte Polizeichef beschreibt den Täter so: etwa 1,90 Meter groß, kräftige Statur, Glatze oder sehr kurze Haare, Leberfleck oder Tätowierung am Hals, bayerischer oder österreichischer Dialekt.
Sofort beginnen die Kollegen des Opfers mit einer Fahndung in der Neonazi-Szene. Grund dafür ist nicht nur die Beschreibung - Mannichl ist bei vielen Rechtsextremisten eine Hassfigur. Denn bei Aufmärschen der Extremisten in Niederbayern geht er mit allen Mitteln gegen die Rechten vor - und wird im Internet beispielsweise von der NPD angefeindet.
In München wird kurz darauf ein aus der rechtsextremistischen Szene bekanntes Ehepaar festgenommen. Einige Tage später sind die Beiden aber wieder frei, sie haben handfeste Alibis. Auch die Fahndung mit Phantomzeichnungen misslingt.
Dann sehen sich die Ermittler mehreren Pannen-Vorwürfen ausgesetzt: Nach dem Attentat wurde nicht unter den Fingernägeln von Mannichl nach Hautpartikeln des Täters gesucht, die bei der Rangelei dorthin gelangt sein könnten. Zudem wurden erst nach Wochen im Umfeld von Mannichls Haus Zigarettenkippen eingesammelt, die der Täter weggeworfen haben könnte.
Mannichl und seinen Angehörigen hat nicht nur der Mordanschlag zugesetzt, sondern auch zahlreiche Gerüchte danach. Als in der Öffentlichkeit spekuliert wird, dass die Ehefrau oder die Kinder etwas mit dem Messerangriff zu tun haben könnten, platzt dem Polizeichef der Kragen. Obwohl er sich als Kriminaler, Betroffener und Hauptzeuge eigentlich nicht öffentlich zu den Ermittlungen äußern soll, gibt er Interviews und weist alle Anschuldigungen empört zurück.
Inzwischen hat sich der 53-Jährige zurückgezogen. Nachdem seine Passauer Direktion im Zuge der bayerischen Polizeireform aufgelöst wurde, erhielt er den Posten des Leiters der Verbrechensbekämpfung im neuen Polizeipräsidium in Straubing.
Am Jahrestag des Anschlags will der Polizeidirektor mit Frau, Tochter und Sohn wegfahren. "Wir werden versuchen, nicht an das Attentat zu denken", sagte Mannichl der "Passauer Neuen Presse". Und: "Ich habe gelernt, mit der Gefahr zu leben, dass der Täter wiederkommen könnte."