Tödliche Suche nach dem Kick
Jugendliche erdrosseln sich bei einem lebensgefährlichen Spiel – jetzt gibt es auch ein deutsches Opfer.
Paris/Düsseldorf. Als seine Mutter den 14-Jährigen findet, ist er schon tot. Er liegt in seinem Zimmer und hat einen Strick um den Hals. Der Computer läuft noch, und über den Bildschirm flimmert die Anleitung zu einem lebensgefährlichen Spiel. In Frankreich heißt es Jeu du Foulard (Schalspiel) in den USA schlicht Choking Game - zu deutsch Würgespiel.
Der 14-jährige Gymnasiast aus Brandenburg ist das erste deutsche Opfer des Würgespiels, bei dem sich Jugendliche so lange die Luft abschnüren, die Halsschlagadern zudrücken oder den Atem anhalten bis sie in Ohnmacht fallen. Durch den Sauerstoffmangel entsteht ein rauschähnlicher, halluzinierender Zustand, der süchtig machen kann.
Würgespiele sind vielen alssehr spezielles Mittel zur Steigerung der sexuellen Lust ein Begriff. Doch aus dem Schalspiel ist unter Teenagern ein internationaler Trend geworden. Es ist die jugendlich-naive Suche nach dem Kick, nur ohne Drogen. Und die verbreitet sich seit etwa zehn Jahren über den ganzen Globus. Viele Heranwachsende feiern sich selbst im Internet für ihr todbringendes Hobby.
In den USA sind zwischen 1995 und 2007 etwa 80 Kinder zwischen 6 und 20 Jahren beim Choking Game ums Leben gekommen. Die Kinder strangulieren sich nur kurz, aber wenn sie das Bewusstsein verlieren, wird aus dem vermeintlichen Spaß schnell tödlicher Ernst. In Frankreich gab es allein in diesem Jahr 13 Todesfälle. Die Dunkelziffer soll jedoch noch höher sein, da viele Unfälle als Suizide in die Akten eingehen.
In Frankreich gibt es seit Jahren die "Association de Parents d’Enfants Accidentés par Strangulation", abgekürzt "Apeas", die "Elternvereinigung der durch Strangulierung verunglückten Kinder". Francoise Cochet ist die Präsidentin der Organisation und hat selbst ihren 14-jährigen Sohn Nicolas durch den gefährlichen Leichtsinn verloren. "Für mich brach eine Welt zusammen, als ich Nicolas leblos mit dem Judogürtel um den Kopf sah."
Das Phänomen zu bagatellisieren oder aus Furcht vor Nachahmern gar totzuschweigen, hält "Apeas" für einen fatalen Fehler. Seit der Gründung im Oktober vor neun Jahren bemüht sich die Vereinigung darum, neben Jugendlichen vor allem Lehrer, Eltern, Kinderärzte, Polizisten und Rettungssanitäter bis hin zu Betreuern von Ferienlagern über die lebensgefährlichen Risiken des Schalspiels zu informieren. "Vorbeugung funktioniert nur, wenn wir darüber sprechen", sagt die Apeas-Präsidentin.
Beim nordrhein-westfälischen Landesverband der Schulpsychologen ist das Würgespiel nicht unbekannt. "Aber es ist glücklicherweise kein Massenphänomen", sagt der Verbandsvorsitzende Arnold Evertz, der die Gefahr einer Verbreitung über das Internet nicht ausschließt.
Nach dem tragischen Tod des 14-Jährigen aus dem Havelland will das brandenburgische Bildungsministerium schnell eine Broschüre herausgeben, die Eltern, Lehrer und Schüler vor dem tödlichen Spiel warnt.