Drei Sterne in der Macho-Welt
Die Französin Anne-Sophie Pic hat sich als eine von weltweit sieben Frauen an die Spitze der Gourmet-Küche gekocht.
Valence. Mäusespeck! Das überrascht zum Auftakt eines Drei-Sterne-Menüs. Aber es ist kein banales weißes oder rosa Marshmallow, was da serviert wird. Es ist vielmehr ein schaumiger Würfel, der nach Erdnuss schmeckt und mit knusprigen Nusssplittern paniert ist. Im Mund vermischen sich die harten Krümel mit dem schmelzenden Mäusespeck - ein angenehmes Spiel mit verschiedenen Texturen, das die einzige Drei-Sterne-Köchin Frankreichs, Anne-Sophie Pic, zu ihrem Markenzeichen gemacht hat.
Die 40-Jährige ist das Gegenteil des Klischees, dass ein ordentlicher Koch männlich und wohlbeleibt sein muss. Klein, grazil und fast schüchtern wirkt sie, das dunkle Haar gescheitelt und straff nach hinten gebunden. Sie hat manche Umwege und harte Zeiten hinter sich gebracht, um dort anzukommen, wo sie heute ist. In der "Macho-Welt der Köche", wie sie selbst sagt, gibt es weltweit derzeit nur sechs Frauen unter den 71 Küchenchefs mit drei "Michelin"-Sternen. Ihre Kolleginnen kommen aus Spanien und Italien.
Anne-Sophie Pic wurde gewissermaßen mit dem Kochlöffel im Mund geboren. Sie erinnert sich an den Duft von Windbeuteln mit Vanillecreme und an die Flusskrebse aus dem nahe gelegenen Fluss Duzon, die im Restaurant ihres Vaters kiloweise verarbeitet wurden. "Immer, wenn ich vorbeikam, habe ich davon genascht", sagt sie.
Und plötzlich war sie da, die Lust am Kochen. Die Küchenchefs Paul Bocuse und Michel Bras, letzterer wie sie ein Autodidakt, zählt sie zu ihren Vorbildern. 2007 hat sie es geschafft: Der "Guide Michelin" zeichnet das "Maison Pic" mit drei Sternen aus
Die Vorspeise wird serviert: Ein duftendes Gemüsehäufchen in einem schmalen Ring aus Mürbeteig mit Kräutern und einer schaumigen Soße. Transparente Radieschenscheiben, kleine Pilzwürfel, knallgrüne Erbsen, Blumenkohlröschen - jedes Gemüse hat seinen intensiven Eigengeschmack und ist punktgenau gegart, so dass es gerade noch knackig ist.
"Produkte, die der Jahreszeit entsprechen, sind das Wichtigste", sagt Anne-Sophie Pic, die jeden Montagmorgen selbst zum Markt geht. In diesem Jahr habe sie lange auf die Pilze warten müssen, weil es nicht genügend geregnet habe.
Zum dampfgegarten Sankt Petersfisch gibt es neben Anisbutter auch dunkelgrünes Gurkenmus mit einem überraschenden Aroma. Es ist geschmacklich so weit von der Supermarkt-Schlangengurke entfernt wie ein mit Wasser angerührter Kakao von einer heißen Schokolade.
Viermal im Jahr kreiert die Küchenchefin ein neues Menü. "Es ist viel Intuition dabei", sagt sie. "Mein Ziel ist eine Autorenküche", sagt sie. Es müsse immer etwas Überraschendes dabei sein, eine markante Geschmacksnote oder eine unerwartetes Nebeneinander von knusprig, schaumig, fest oder flüssig.
Das Speisevergnügen im "Maison Pic" im idyllischen Städtchen Valence, südlich von Lyon, ist jedoch nicht billig: Ein Menü kostet zwischen 110 Euro (mittags unter der Woche) und 320 Euro.