Hochschulabsolvent: 100 Mal beworben – nichts geht
Vor 13 Monaten hat Nik Grün die Hochschule abgeschlossen. Soziale Arbeit hat er studiert. Einen Job findet er nicht.
Krefeld. Die Anspannung, keinen Job zu finden, liegt über Nik Grün wie eine silbrige Knisterfolie. Sie macht ihm Angst, macht ihn nachdenklich, und sie macht ihn fast durchgehend nervös - wie ein peinigender Summton. Der treibt den Hochschul-Absolventen dazu, sich in den Nächten schlaflos hin und her zu wälzen.
Seit 13 Monaten hält die ständige Anspannung den 33-Jährigen fest im Griff. Denn seit er die Hochschule Niederrhein verlassen hat, ist er ohne Arbeit. Dabei kann sich sein Lebenslauf sehen lassen: abgeschlossene Ausbildung als Erzieher und ein absolviertes Studium in "Sozialer Arbeit" mit Bachelor-Abschluss.
Im Juli 2008 hat Nik Grün seine ersten Bewerbungen geschrieben. Und bekam nur Absagen. Im November 2008 musste er sich dann erstmals arbeitslos melden - eine frustrierende Erfahrung.
Wie viele Bewerbungen er seitdem geschrieben hat, weiß Nik Grün nicht mehr. "Vermutlich über 100." Beworben hat er sich in ganz Deutschland auf verschiedenste Stellen im sozialen Bereich. Dabei hat er sich nicht zu sehr festgelegt, und was die Qualifikationen betrifft, hätten eigentlich auch fast alle Stellenausschreibungen gepasst. "Deswegen weiß ich nicht, warum es nur in zwei Fällen zum Gespräch gereicht hat", wundert er sich. Wahrscheinlich ist aber wohl, dass der Bachelor-Abschluss im sozialen Bereich noch nicht anerkannt ist.
Hinzu kommt die Wirtschaftskrise. Die Bereiche, in denen sozial ausgebildete Akademiker typischerweise eine Beschäftigung finden, sind die, die bei schwächelnder Konjunktur mit als erste eingespart werden. Zwar werde hier und da eingestellt, aber eben nur sehr begrenzt. "Dann wird nur danach geguckt, wie alt jemand ist und welche Abschlussnote er hat. Soziales Engagement zählt nichts", sagt er.
Das nutze Studenten, die sich abseits von Klausuren und Leistungsnachweisen wenig in der Hochschule engagieren. Nik Grün hat sich engagiert. Er war bundesweit in der Hochschulpolitik aktiv und hat Asta-Gruppen geleitet. "Dass wir damit auch ein wichtiges sozial-regulatives gesellschaftliches Mandat übernommen haben, will niemand wissen", sagt er.
Erschreckend findet Grün, wie wenig Land und Kommunen soziale Arbeit wert ist. "Überall werden Stellen gestrichen. Aber vor allem da, wo es Menschen trifft, die keine Lobby haben."
Mit jedem Monat, den er länger arbeitslos ist, zieht er sich im Privaten mehr zurück. Zu bohrend sind die Blicke von Bekannten und Verwandten, die seine soziale Einstellung zwar löblich finden, dann jedoch sehr schnell das Wort "aber" hinterher schieben.
Was ihm hilft, ist die emotionale Unterstützung seiner Eltern. "Aber hier habe ich ein schlechtes Gewissen. Überhaupt ist alles, was ich mache, von dem Gedanken bestimmt, dass ich einen Job brauche, dass ich doch gut ausgebildet bin und etwas leisten kann - und trotzdem zu Hause sitze."
Gerade hat er sich wieder auf eine Stelle beworben. Eine Einrichtung sucht einen Sozialarbeiter für benachteiligte Jugendliche. Was er für den Job bekommen würde, hat er auch schon ausgerechnet: etwa 1000 Euro.