Normen: Europas Regelwut kennt einfach keine Grenzen
Die Brüsseler Behörde hat sich auf die Fahne geschrieben, sich für die Verbraucher einzusetzen. Doch oft geht ihr Engagement zu weit.
Brüssel. Es gibt in dieser Welt fast nichts, was nicht geregelt ist, besonders seit die Europäische Union glaubt, sich für Verbraucher stark machen zu müssen. Die meisten Vorschriften sorgen auch tatsächlich dafür, dass das Leben stressfreier funktioniert. Doch leider schaffen es die sogenannten Experten aus Brüssel, jedes Jahr einige Ausreißer auf den Weg zu bringen. Natürlich ist ihnen das auch in 2009 mehrfach gelungen.
Den ersten Platz nimmt eindeutig eine Vorschrift ein, die seit dem 1. September ihre Gültigkeit hat: das Aus der gemeinen Glühbirne. Den Anfang musste die 100-Watt-Leuchte machen, 2010 werden dann Birnen mit mehr als 60 Watt, ein Jahr später Glühbirnen mit mehr als 40 Watt und ab September 2012 Standard-Glühlampen mit einer Leistung von mehr als 10 Watt verschwinden.
Keine Frage, natürlich ist es sinnvoll, energiesparende Leuchtmittel zu verwenden. Das Problem bei dieser Verordnung ist nur, dass es für die Glühbirne keine vergleichbare Alternative gibt. Energiesparlampen werden langsamer hell, sind größer und meist hässlicher. Zudem passen die Neulinge einfach nicht in die Fassung einiger alter Lampen.
Und da wundern sich die Bürokraten in Brüssel, dass die Verbraucher auf die Barrikaden gehen und sich zu Hamsterkäufen hinreißen lassen? War doch klar! Der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier, das man nur schwer ködern kann. Der Umweltaspekt zieht da leider gar nicht - warum auch, wenn selbst viele Politiker uneinsichtig bleiben.
Aber es gibt genau wie bei den Regierungschefs ein Argument, das immer wirkt - Geld. Die EU hätte einfach mit Subventionen dafür sorgen müssen, dass die Energiesparlampe um einiges billiger ist als ihre Konkurrenz. So wäre die Glühbirne ganz von selbst verschwunden, und es hätte keines Gesetzes bedurft.
Das Geld für diesen verbraucherfreundlichen Schachzug hätte man beispielsweise mit den 173 Millionen Euro Strafe abdecken können, die einige Chemieunternehmen 2009 wegen Preisabsprachen zahlen mussten. Schließlich gehört das Geld sowieso dem Verbraucher.
Kann man den Sinn der Glühbirnen-Verordnung noch nachvollziehen, bleibt einem der Nutzen der folgenden jedoch völlig verschlossen: Im September einigte man sich auf eine Neufassung der Verpackungsverordnung. Danach soll es in der EU künftig keine Vorschriften mehr dafür geben, in welchen Einheiten beispielsweise Mehl, Kakao, Schokolade, Reis, Wasser oder auch Nähgarn verkauft werden dürfen.
Klingt auf den ersten Blick vernünftig, ist es aber nicht. Die Folge ist nämlich, dass Unternehmen Preissteigerungen geschickter verstecken können: Eine 100-Gramm-Tafel Schokolade verwandelt sich einfach in eine 95-Gramm-Tafel bei gleichbleibendem Preis. Nicht wirklich verbraucherfreundlich!
Aber nicht nur die Konsumenten werden durch EU-Beschlüsse auf eine harte Probe gestellt. Auch die deutschen Studenten haben ihr Päckchen zu tragen. Dadurch, dass die Studiengänge EU-weit angeglichen werden mussten, herrschte 2009 Chaos an den Unis. Es fehlte schlichtweg ein einheitlicher Plan für die Umsetzung des neuen Bachelor-Studiengangs. Wieder einmal wurde vorschnell entschieden, ohne über die Konsequenzen nachzudenken.
Aber ein Beschluss der EU in 2009 lässt hoffen: Die gemeine grüne Schlangengurke wurde von ihrem Korsett befreit. Sie darf jetzt wieder krumm sein und wachsen, wie es der Natur gerade passt. Die Zeiten von Einheitsgurken sind dank der EU vorbei.
Bleibt zu hoffen, dass die EU-Beamten 2010 da weiter machen und uns von Regelwerken wie folgendem erlösen: Als Deutscher benötigt man noch immer in einigen Bereichen einen Meisterbrief, um einen Handwerksbetrieb zu gründen. Ein EU-Ausländer dagegen braucht keinen. Das wird durch das EU-Harmonisierungsgesetz geregelt - das ist kein Scherz!