Sehbehinderte: Karriere trotz Blindheit

Klaus Hahn kann nur hell und dunkel erkennen. Trotzdem leitet er die Dienstaufsicht der Polizei in NRW.

Münster/Selm. Den Weg zu den Gebäuden auf dem 50 Hektar großen Polizeigelände in Selm bei Münster findet Klaus Hahn mit einem weißen Langstock alleine. "Dafür musste ich 25 Stunden konzentriert trainieren", berichtet der Jurist, der nur noch hell und dunkel unterscheiden kann.

Wie alle Menschen ohne oder mit nur geringer Sehkraft, die ohne persönliche Hilfe geübte Wege gehen möchten, musste sich Hahn bei dem sogenannten Mobilitätstraining diverse Punkte zum Orientieren einprägen.

Die Spitze des bis zur Brust reichenden dünnen Stockes, die schräg zum auftretenden Fuß den Boden berührt, ist dabei eine wichtige Hilfe. Nach dem Hilfsmittel ist auch der an die Probleme von Blinden und Sehbehinderten erinnernde "Tag des weißen Stocks" diesen Mittwoch benannt, der 1964 erstmals in den USA begangen wurde.

Seitdem werben Regierungen und Selbsthilfeorganisationen um mehr Rücksicht auf blinde Menschen. Der weiße Stock ist ihr offizielles Schutzzeichen im Straßenverkehr.

Mit Veranstaltungen an diesem Tag präsentieren die Regierungen, Verbände und Betroffenen selbst auch ihre Fähigkeiten, Leistungen, Probleme und den Stand ihrer beruflichen und gesellschaftlichen Teilhabe.

Klaus Hahn ist einer, der es geschafft hat. Als Leitender Regierungsdirektor ist er Dezernent für die Dienstaufsicht der Polizei des Landes NRW. "Das Dezernat zählt 55 Beschäftigte, für deren Wohl und Wehe ich die Verantwortung trage", sagt er.

Angefangen hat Hahn nach Jurastudium und Referendarzeit 1978 bei der Bezirksregierung in Münster. 2000 avancierte er dort zum Personaldezernenten für die Polizei. Seit Beginn seiner Berufstätigkeit steht ihm eine Assistentin zur Seite. Sie liest ihm Briefe, Inhalte von Akten und Gesetzen vor.

Da er mit Personal-Angelegenheiten befasst ist, hat die Mitarbeiterin zwei Schreibtische: "Wenn ich vertrauliche Gespräche führe, arbeitet sie im Zimmer gegenüber, überträgt, was ich ihr diktiert habe, oder scannt Schriftstücke für mich ein", sagt Hahn. Ansonsten sitzt sie ihm gegenüber am Schreibtisch.

Als Computer in Büros einzogen und Hilfsmittel möglich wurden, die den Inhalt auf einer Zeile unterhalb der Tastatur in Blindenschrift wiedergeben oder mit einer künstlichen Stimme vorlesen, hat sich der Vater dreier erwachsener Kinder mit der neuen Technik vertraut gemacht. Er wollte weniger auf fremde Hilfe angewiesen sein.

Der am 29. September 1951 im bayerischen Nördlingen geborene Klaus Hahn litt schon als Junge mit sieben Jahren an einer zunehmenden Sehbehinderung. Eine tückische, bis heute nicht heilbare Netzhauterkrankung nahm ihm schleichend das Augenlicht. Trotzdem schaffte er das Abitur an einem Gymnasium.

Nach der Auflösung der Regierungsbezirke wurde Klaus Hahn zum 1. Juli 2007 zum Landesamt für Personalangelegenheiten der Polizei ins 40 Kilometer entfernte Selm versetzt. Vom Stress erholt er sich mit seiner sehenden Frau in der Freizeit mit Wanderungen, Skilanglauf und auf dem Kettwiesel, einem Liegerad mit drei Rädern.

Als Landesvorsitzender des Blinden- und Sehbehindertenvereins Westfalen und Präsidiumsmitglied der Bundesorganisation will der Jurist mit eigenem Beispiel für die Beachtung des Weißen Stockes und mehr Chancen für nichtsehende Menschen in Beruf und Gesellschaft werben.