Analyse: Afghanistans Präsident verärgert den Westen

Der frühere Hoffnungsträger Karsai verscherzt es sich insbesondere mit den USA.

Kabul. Als Hamid Karsai nach dem Sturz der Taliban als afghanischerÜbergangspräsident antrat, wurde er als Hoffnungsträger des Westensgefeiert.

Mehr als acht Jahre später ist er durch zwei Wahlen im Amtbestätigt worden, auch wenn besonders die Abstimmung im vergangenenAugust von Betrug überschattet wurde.

Sein guter Ruf aber ist längstdahin. Karsai, so heißt es bei Diplomaten in Kabul, erscheine immermehr als Teil des Problems, nicht aber der Lösung. Mit bizarrenVorwürfen an die Adresse des Westens und der Vereinten Nationenverärgert er nun jene Staaten, deren Truppen ihn überhaupt noch an derMacht halten.

Die USA zeigen sich hochgradig irritiert über das Verhalten desAfghanen, der kaum mehr wie ein Verbündeter wirkt. RegierungssprecherRobert Gibbs drohte nun, den für Mai geplanten Besuch Karsais beiUS-Präsident Barack Obama abzusagen. So eisig waren die Beziehungenzwischen Washington und Kabul noch nie.

Dabei war Karsai jahrelang derSchützling der USA - bis zum Ende der Amtszeit von Präsident George W.Bush. Unter dem neuen US-Präsidenten weht Karsai ein anderer Windentgegen. In Obamas Afghanistan-Strategie ist als eines der Ziele dieFörderung einer fähigeren Regierung in Kabul genannt.

Von dieser hehren Vorgabe ist die Karsai-Regierung weit entfernt,auch wenn Ministerposten inzwischen nicht mehr nur auf der Basis vonBeziehungen vergeben, sondern Schlüsselressorts auch mit Expertenbesetzt werden.

Beim leidigen Thema Korruption ist Afghanistan auf demIndex von Transparency International seit Jahren im freien Fall. Vonden 180 untersuchten Staaten wird nur noch Somalia als korruptereingestuft. Der Kampf gegen Drogen macht zwar bescheidene Fortschritte,doch bleibt Afghanistan der größte Produzent von Rohopium, demGrundstoff für Heroin. Die Sicherheitslage ist so schlecht wie nie.

Den Regierungen im Westen dürfte es zunehmend schwer fallen zuerklären, warum ihre Truppen Karsai mit Waffengewalt an der Machthalten - und warum Soldaten dafür sterben müssen, wie die dreiDeutschen in Kundus am Karfreitag. Der britische Premierminister GordonBrown sagte nach der Präsidentschaftswahl: "Ich bin nicht bereit, dasLeben britischer Männer und Frauen für eine Regierung zu gefährden, diedie Korruption nicht bekämpft."