Analyse: Die Grünen üben den Koalitions-Spagat

Die Partei öffnet sich für Rot-Rot-Grün, schließt aber auch Jamaika nicht aus.

Rostock. Die Grünen blasen zum Generalangriff auf Schwarz-Gelb. Der langgeplante Termin ihres Parteitags in Rostock im Schatten der Regierungsbildung von Union und FDP lässt der kleinsten Oppositionspartei am Wochenende keine andere Wahl. Vorsichtig bekennen sich die Delegierten zu Rot-Rot-Grün als möglicher Alternative. Trotzdem proben die Grünen auch eine kleine Revolution: Sie lassen keinen Zweifel an neuen Jamaika-Möglichkeiten in den kommenden zwei Jahren auch in größeren Ländern als dem Saarland.

Eine Partei übt den Spagat. "Ab heute, sofort wird Schwarz-Gelb von uns gestellt", ruft die Vorsitzende Claudia Roth den jubelnden 700 Delegierten zu. Der Koalitionsvertrag ist noch frisch - schon erscheint er den Frontleuten Roth, Cem Özdemir, Renate Künast und Jürgen Trittin als Betriebsanleitung für die Abwicklung von Sozialstaat und Klimaschutz.

Das grüne Bekenntnis zu Rot-Rot-Grün 2013 binden die Delegierten pflichtschuldig an die Bedingung, dass "die Linkspartei bis dahin regierungsfähig wird". Tatsächlich probieren sie aber schon mal ein wenig mehr Aufbruch auch zu anderen Zugängen zur Macht. Diesmal ziehen Reformer Forderungen zurück, dass jetzt alles offen sein soll. "Das ist Feigheit vor der Basis", ätzt der Europa-Abgeordnete Sven Giegold.

Von Forderungen der Landtags-Fraktionschefs für eine volle Freiheit zu Rot-Rot-Grün, Schwarz-Grün oder auch Schwarz-Gelb-Grün in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und den anderen Ländern mit baldigen Wahlen bleiben nur Sätze übrig. Die Grünen wollen auch künftig Bündnisse ausschließen, die ihre Klientel abschrecken könnten.

Im Saarland wird freilich schon munter weiter über die Premiere für Jamaika mit Union und FDP verhandelt. Künast und Trittin drängten Saar-Parteichef Hubert Ulrich zuvor erfolglos zu Rot-Rot-Grün. Jetzt verteidigt Ulrich die Übung vor der traditionell linkslastigen Parteitagsbasis demütig als "Experiment" - und erhält Beifall.

"Ich bin fest davon überzeugt, dass wir alle Spielarten erleben werden", sagt die Fraktions-Chefin im EU-Parlament, Rebecca Harms. Die von manchen als mögliche künftige Parteichefin gehandelte Geschäftsführerin Steffi Lemke versichert den Landesgrünen "Unterstützung für ihre jeweilige Strategie".