Analyse: Russland sieht sich auf Augenhöhe mit den USA

Im Kampf gegen die Verbreitung von Atomwaffen ist der US-Präsident auf Moskau angewiesen.

Prag. Für US-Präsident Barack Obama nimmt seine Vision einer atomwaffenfreien Welt mit dem neuen nuklearen Abrüstungsabkommen langsam Wirklichkeit an.

Er und sein russischer Amtskollege Dmitri Medwedew setzten am Donnerstag in Prag - dort, wo Obama einst seine großen Pläne verkündet hatte - ihre Unterschriften unter den neuen Vertrag über die Reduzierung strategischer Offensivwaffen (Start). Das bedeuten gut ein Jahr nach seinem Amtsantritt für Obama zudem den ersten echten außenpolitischen Erfolg.

In Russland wird "der letzte Vertrag des Kalten Kriegs" - so der Politologe Fjodor Lukjanow - hingegen vor allem als Schlussstrich unter die ideologischen Auseinandersetzungen zwischen Moskau und Washington gesehen.

Russland sei ein wichtiger Partner für die USA, betonte Obama mehrmals. Er weiß, dass er Moskaus Unterstützung braucht - im Kampf gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen, aber vor allem im Weltsicherheitsrat, wo die USA Sanktionen gegen den Iran durchsetzen wollen. Das passt Russland gut ins Konzept. Das Riesenreich sieht sich mit dem neuen Abrüstungsvertrag endlich wieder auf Augenhöhe mit den USA, dem Feind aus Sowjetzeiten. "Der Erfolg gehört beiden Ländern und mit ihnen der ganzen Welt", sagt Medwedew ganz Staatsmann in Prag.

Der Kremlchef wird nicht müde zu betonen, dass das Abkommen keine der beiden Seiten bevorzuge. Russlands Vorteil ist jedoch: Obama ist deutlich stärker auf den mit soviel Pomp gefeierten Start-Vertrag angewiesen als Moskau, sollen seine Visionen dereinst Wirklichkeit werden. Und so kann Russland weiter genüsslich auf den Knackpunkt des Vertragswerks verweisen: die geplante US-Raketenabwehr in Europa, die Russland als Gefahr ansieht.

Der Abrüstungsvertrag könne nur erfüllt werden, wenn das neue System keine Bedrohung für die russischen Streitkräfte darstelle, sagt Medwedew. Dies ließ sich Russland sogar schriftlich zusichern. Und Obama zögerte nicht, Moskau entgegenzukommen. Russland und die Nato-Staaten sollen in die Planung eingebunden werden, kündigte der US-Präsident in Prag an.

Ein weiteres Hindernis: Bevor das Abkommen in Kraft treten kann, müssen erst die Parlamente beider Staaten das Dokument ratifizieren. Und dies ist nach Einschätzung von Beobachtern ein viel größeres Problem, als den Vertragstext auszuhandeln. Präsident Obama kündigte zwar direkt nach der Unterschrift an, er wolle das Dokument noch in diesem Jahr vom Senat ratifizieren lassen.

Allerdings regt sich dort Widerstand gegen den Start-Vertrag. Denn republikanische "Falken" befürchten die Preisgabe des "Big Stick", der großen Keule. Der Druck lastet auf Obama, dem Visionär.