Der Bundestag, die Diäten und das schlechte Gewissen

Union und SPD wollen höhere Diäten durchsetzen. Einige Abgeordnete machen da nicht mit.

Berlin/Düsseldorf. Die Debatte im Reichstag über die Diäten-Erhöhung begann mit einem Versehen. Ob er eine Frage des Abgeordneten Schily zulasse, wollte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) vom CDU-Parlamentarier Ralf Göbel wissen. Göbel schaute verblüfft. Sollte sich ausgerechnet der Ex-Innenminister mit seinen ganz eigenen Vorstellungen zur Transparenz von Abgeordnetenbezügen in die Diskussion einmischen?

Doch es war nur ein Versprecher des Vizepräsidenten. Nicht Schily, sondern der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele wollte eine Frage stellen - und zwar, ob Göbel wegen der geplanten Anhebung der Diäten ein schlechtes Gewissen plage.

Norbert Röttgen und Thomas Oppermann, die Parlaments-Geschäftsführer von Union und SPD, verteidigten die Pläne. "Wir haben nicht das Recht, uns wegzuducken", sagte Röttgen. Oppermann verwies auf zahlreiche Nullrunden für die Abgeordneten in den vergangenen Jahren: Wenn ein Parlamentarier so viel verdiene, wie ein "Unterabteilungsleiter in einem Ministerium", sei dies "nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel".

Doch die beiden Geschäftsführer konnten gestern nicht für sich in Anspruch nehmen, für alle Parlamentarier der Großen Koalition zu sprechen. So wächst etwa in der SPD-Bundestagsfraktion täglich der Widerstand gegen die zweite massive Diätenerhöhung binnen weniger Monate.

"Eine weitere Erhöhung zum jetzigen Zeitpunkt halten wir für unangemessen", hatten die neun schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten bereits am Donnerstag erklärt. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz kündigte ebenfalls an: "Ich werde nicht zustimmen." Auch der Düsseldorfer Abgeordnete, Staatssekretär Michael Müller (SPD), bekräftigte gestern auf Anfrage unserer Zeitung: "Ich habe die Erhöhung abgelehnt."

Für Aufregung im Kreis Mettmann sorgte derweil ein offener Brief des CDU Stadtverbands Langenfeld an die eigene Mettmanner Bundestagsabgeordnete Michaela Noll. In dem Schreiben wirft der Stadtverband den Abgeordneten vor, Wasser zu predigen und Wein zu trinken: "Diesen Pfad der Maßlosigkeit verurteilen wir auf das Schärfste."

Noll reagierte mit einem eigenen offenen Brief, in dem sie den Beschluss von Union und SPD erklärt und rechtfertigt. Allerdings fügte sie hinzu: "Ich halte diese Umsetzung zum jetzigen Zeitpunkt für falsch." Sie werde die Erhöhung daher an eine Kinderschutzeinrichtung spenden.