Der SPD graut vor Schwarz-Rot

Parteichef Sigmar Gabriel und Ex-Kandidat Peer Steinbrück vermeiden jede Festlegung.

Berlin. Für die Spitzen der SPD war die Nacht kurz. Schon am frühen Morgen betreten Parteichef Sigmar Gabriel und Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück wieder jene Bühne im Willy-Brandt-Haus, auf der sie am Abend zuvor die Wahlniederlage ihrer Partei eingestehen mussten.

Kommt nun die große Koalition in Berlin? Darüber erhoffen sich die Journalisten wenigstens etwas Aufschluss. Aber sie werden enttäuscht. Zu tief sitzt offenbar die Niederlage, um schon über strategische Szenarien zu referieren.

Stattdessen nutzt Gabriel die Inszenierung, um Steinbrück erneut für seinen Wahlkampf zu loben („Große Klasse“) und mit einem interpretierbaren Satz zu bedenken: „Vielen Dank, dass Du an Bord bleibst und mit uns gemeinsam die SPD weiter stärken und führen willst.“

Bereits am Wahlabend hatte Steinbrück seine Bereitschaft betont, „auch in Zukunft“ für seine Partei Verantwortung zu übernehmen. Da er einen Ministerposten in einer möglichen großen Koalition weiter ausschließt, keimten Spekulationen, Steinbrück liebäugle mit dem Fraktionsvorsitz, den Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier erneut für sich anstrebt. Zumindest dieses Rätselraten beendet Gabriel aber: „Selbstverständlich“ unterstütze er Steinmeiers Wiederwahl, so der Parteichef im Anschluss an die Vorstandssitzung.

Rund zweieinhalb Stunden sitzt das Führungsgremium zusammen. Teilnehmern zufolge kommen Personalfragen nicht zur Sprache. Dabei trägt auch Gabriel Verantwortung für das enttäuschende Ergebnis. Wie es weiter gehen soll, ist erst recht unklar. Schon am Sonntagabend war im Willy-Brandt-Haus deutlich geworden, dass die meisten Genossen eine Neuauflage der großen Koalition fürchten wie der Teufel das Weihwasser.

Als sich die Union zwischenzeitlich der absoluten Mehrheit zu nähern schien, gab es sogar Beifall. Immer noch besser, als Angela Merkel erneut zur Macht zu verhelfen, lautete die Devise. Das 23-Prozent-Desaster von 2009 wirkt nach. Dabei waren Union und SPD vordem fast gleich stark gewesen. Diesmal, das schwant jetzt vielen Genossen, wäre es keine Koalition auf Augenhöhe.

Gegenüber 2009 habe man zwar leicht hinzugewonnen, aber eigentlich sei es „schlimmer als vor der Wahl“, klagt Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck. Noch deutlicher klingt die Abneigung gegenüber Schwarz-Rot bei den Wortführern des linken Parteiflügels: „Wir machen keinen Steigbügelhalter für schlechte Politik“, schimpft der Berliner SPD-Chef Jan Stöß. „Ob es überhaupt geht, weiß ich nicht“, orakelt der schleswig-holsteinische Landevorsitzende Ralf Stegner.

So bleibt alles im Ungefähren. „Es ist nichts entschieden, es gibt keinen Automatismus in Richtung große Koalition“, sagt Gabriel. Und Steinbrück meint: „Die SPD drängt sich nicht auf.“