„Deutschland ist eine neurotische Nation“
Dänemark führt Grenzkontrollen ein — und diskutiert über das Wesen seines südlichen Nachbarn.
Kopenhagen. Seit aus Deutschland kräftige Kritik an den Grenzkontroll-Plänen der Kopenhagener Regierung gekommen ist, schlagen die Wogen in den Medien hoch: Während die Deutschen für die einen eine „neurotische Nation“ mit endloser Selbstbespiegelung aufgrund ihrer Nazi-Vergangenheit sind, verteidigen andere leidenschaftlich das moderne Deutschland.
Schärfe in die Debatte gebracht hat die rechtspopulistische DVP, die auch Initiatorin der neuen permanenten Zollkontrollen an Dänemarks Grenzen zu Deutschland und Schweden war. Parteichefin Pia Kjærsgaard hielt in „Politiken“ dem deutschen Botschafter in Kopenhagen, Christoph Jessen, auf dessen Kritik an den Kontrollen vor, das sei doch „putzig aus einem Land, dessen Geschichte reichlich gefühlsbetonten Nationalismus mit traurigen Konsequenzen geboten hat“.
Kjærsgaards Parteikollege Jesper Langballe legte noch einen drauf und bezeichnete Deutschland als „neurotische Nation, die beständig von den Schatten ihrer Vergangenheit verfolgt wird“. Die „tyskerkort“ („Deutschenkarte“) nennt man das in Dänemark, wenn bei einer Debatte über den Nachbarn die Nazi-Vergangenheit ins Spiel gebracht wird. Dass die Rechtspopulisten, seit zehn Jahren Mehrheitsbeschaffer für die Kopenhagener Regierung, dies jetzt so massiv taten, löste auch im Regierungslager selbst kräftige Reaktionen aus.
Deutschland sei ein „ganz normaler Nachbar“, antwortete Energieministerin LykFriis. Die Bayern-München-Anhängerin attestierte Deutschland, dass es sich zunehmend normal als europäische Macht aufführe, nachdem man durch „Gruppentherapie in strukturierter Form die Geschichte verarbeitet hat“.
Friis verwies begeistert auf die Lust der Dänen auf Berlin, auf junge Landsleute, die Deutschland dieser Tage als „obercool“ einstufen: „Das ist charakteristisch für das gute deutsch-dänische Verhältnis.“
Die rechtsliberale Zeitung „Jyllands-Posten“ (Aarhus) sah es ähnlich: „Deutschlands Auftreten in europäischer Regie und die Aufarbeitung der eigenen Geschichte sind von A bis Z bewundernswert und ein Musterbeispiel dafür, dass man sich mit dem Willen dazu auch aus dem größten geschichtlichen Trauma herausarbeiten kann.“