Die Große Koalition kuschelt

Generaldebatte: Die Kanzlerin doziert über ihre Außenpolitik – und erhält dafür ausgerechnet Komplimente von SPD-Fraktionschef Struck.

Berlin. Aus Europa kommend steuert Angela Merkel auf Israel zu, nimmt nach Zwischenaufenthalten in den USA und im Iran Kurs auf das Kosovo und landet relativ spät in der Innenpolitik. Die Reiseroute ihrer Rede während der Generaldebatte im Bundestag soll noch einmal verdeutlichen, was die Kanzlerin unverdrossen immer wieder erklärt: Man könne heute nicht mehr so einfach zwischen Innenpolitik und Außenpolitik unterscheiden. Auf die Vorwürfe, sie sei zuviel im Ausland unterwegs, auf Schlagzeilen wie "Merkel auf Blitzbesuch in Deutschland" reagiert die Kanzlerin in einer Art, die sich als für sie typisch herausstellen könnte. Sie durchquert im Bundestag erst recht die Welt, bevor sie über Arbeitslosigkeit und Mindestlohn spricht.

In ihrer Leistungsbilanz nach zwei Jahren Großer Koalition nennt Merkel allem voran das gestiegene Ansehen Deutschlands als Erfolg. "Darauf können wir stolz sein." Und dann schließt sie die Nachhilfestunde für ihre Kritiker an: "Man sollte sich keine Illusionen machen: Unsere internationale Reputation und die wirtschaftliche Lage Deutschlands hängen auf das Engste zusammen."

Fast beiläufig hat die Kanzlerin auch ein Machtwort im Streit mit der SPD über ihre "Schaufensterpolitik" und die diplomatischen Verwicklungen mit China nach dem Empfang des Dalai Lama untergebracht. Die Außenpolitik sei immer auf Werten aufgebaut. "Menschenrechtspolitik und das Vertreten ökonomischer Interessen sind zwei Seiten einer Medaille und dürfen niemals gegeneinander gestellt werden."

Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der als Vizekanzler neben Merkel auf der Regierungsbank sitzt, hört bedingt begeistert zu, aber er wird in seiner eigenen Rede nicht darauf eingehen.

An diesem Tag präsentiert sich die Koalition höchst geschlossen, wozu gehört, dass Steinmeier viel mit Merkel redet, beide freundliche Gesichter zeigen und viele dem frisch vereidigten Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) die Hände schütteln. Dazu gehört auch, dass SPD-Fraktionschef Peter Struck, gewöhnlich um gute Worte über Merkel sehr verlegen, ein halbes Kompliment vorträgt: "Frau Bundeskanzlerin, Sie haben eine Rede gehalten, die hat mir sehr gut gefallen. Ist ja nicht immer so."

Für einen Tag haben Union und SPD ihren Streit begraben, um die Erfolge ihrer Koalitionsarbeit herauszustellen. Man muss jetzt abwarten, ob die verordnete Friedfertigkeit anhält und ob die Regierung tatsächlich noch Handlungsfähigkeit beweist. Im Aufschwung war das Regieren vergleichsweise leicht. Inzwischen aber deuten viele Signale wie Dollarverfall und steigende Inflationsrate auf Abschwung hin, und dabei ist der Aufschwung noch nicht einmal bei allen angekommen. Gegen die dramatisch wachsende Kinderarmut hat die Große Koalition bisher noch wenig unternommen.