Iglu-Studie: Hausaufgaben sind gemacht

Deutsche Grundschüler haben sich im Lesen weiter verbessert. Ein Blick auf die Ergebnisse.

Berlin. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat den elften Platz bei der internationalen Iglu-Grundschulstudie als "Ermutigung" für die weitere Bildungsreform bezeichnet. Das Abschneiden stärke all’ denjenigen den Rücken, die sich derzeit "in der tiefgreifendsten Bildungsreform in Deutschland" befänden, sagte Schavan. Iglu-Koordinator Wilfried Bos betonte: "Die deutsche Grundschule hat ihre Hausaufgaben gemacht."

"Im Vergleich zu Iglu 2001 weist Deutschland im Jahr 2006 in allen Dimensionen der Lesekompetenz signifikant noch bessere Ergebnisse auf", heißt es in der Studie. Beim ersten Iglu-Vergleich, dessen Ergebnisse 2003 veröffentlicht wurden, hatte Deutschland erneut den elften Platz erreicht - allerdings unter nur 35 Nationen und Regionen.

Platz eins erreichte diesmal Russland vor Hongkong und Kanada. Seit 2003 gab es gravierende Verschiebungen: Bei der Veröffentlichung damals hatte noch Schweden den ersten Platz belegt, ist jetzt aber nur noch zehnter. Die Niederlande waren zunächst auf Rang 2, jetzt auf Rang 12. Und England fiel sogar vom 3. auf den 19. Platz zurück. Die deutschen Grundschüler erreichten diesmal durchschnittlich 548 von maximal 700 Punkten, somit neun Punkte mehr als bei der ersten Untersuchung. Ein Überblick:

Deutschland belegt bei dem weltweiten Vergleich erneut den elften Platz. Damit liegt es im oberen Viertel der Gesamtwertung und konnte sich bei der Punktzahl über das Leseverständnis gegenüber dem ersten Test von 2001 um neun Punkte auf 548 Punkte steigern. Doch nur jeder zehnte Viertklässler (10,8Prozent) gilt als Spitzenleser.

Für Kinder aus Arbeiterhaushalten wird es immer schwieriger, eine Empfehlung fürs Gymnasiums zu erhalten. Sie müssen in der Regel Spitzenleistungen von 614 Punkten erbringen. Kommt das Kind dagegen aus der Oberschicht, reichen für die Gymnasialempfehlung des Grundschullehrers bereits 537 Punkte aus - eine Leistung deutlich unter Durchschnitt. Oberschichtkinder haben aber auch gegenüber Gleichaltrigen aus Familien von Facharbeitern und leitenden Angestellten deutlich bessere Chancen. Sie erhalten zweieinhalb Mal so häufig von ihren Lehrern ein Gymnasialempfehlung - und dies bei gleicher Intelligenz und gleichem Leseverständnis.

Überall auf der Welt lesen zehnjährige Mädchen besser als gleichaltrige Jungen. In Deutschland ist die Differenz gering (Mädchen 551Punkte/Jungen 544).

Der Anteil der "Risikokinder" am Ende der 4. Klasse wird mit 13,2Prozente als "vergleichsweise gering" ausgewiesen. Gegenüber 2001 ist er gesunken. Nur Hongkong und die Niederlande haben einen geringeren Anteil.

Deutsche Kinder erzielen in der 4.Klasse bessere Leseleistungen als Kinder mit Migrationshintergrund. Indes hat sich zwischen 2001 und 2006 der Abstand zwischen beiden Gruppen von 55 auf 48 Punkte verringert. Gleichwohl gelingt es anderen Staaten besser, Migrantenkinder an das allgemeine Leistungsniveau heranzuführen. In Frankreich etwa betrug 2006 der Abstand zwischen beiden Gruppen 35Punkte.

Deutschlands Grundschüler können mit ihrer Leseleistung im weltweiten Vergleich gut mithalten. Bei der zweiten internationalen Iglu-Grundschulstudie belegten sie Rang elf unter 35Nationen und zehn Regionen. Damit landeten die deutschen Viertklässler auf dem gleichen Platz wie beim ersten Test 2001. Bei der Punktezahl zum Leseverständnis konnten sie etwas zulegen. Gleichzeitig wird die deutsche Schule aber sozial immer ungerechter.

Demnach fällt es Zehnjährigen aus der Oberschicht immer leichter, selbst bei weit unterdurchschnittlichen Leistungen eine Empfehlung ihrer Grundschule für den Besuch des Gymnasiums zu erhalten. Von einem Kind aus einem Arbeiterhaushalt dagegen werden dafür Spitzenleistungen verlangt. "Dieser Befund ist 2006 noch deutlicher als 2001 sichtbar", heißt es. Die umstrittene Schullaufbahnempfehlung der Grundschule hat seit dem deutschen Pisa-Schock 2001 in mehreren Bundesländern wieder erheblich an Bedeutung gewonnen.

Bei Iglu wird nicht nur das Lesevermögen getestet, sondern auch die Fähigkeit, aus dem Gelesenen Schlüsse zu ziehen. In Deutschland wurde der Test im Frühjahr 2006 an 397Schulen gemacht. 7900Viertklässler nahmen teil.

Der Patient befindet sich auf dem Weg der Besserung. Nachdem das deutsche Schulsystem sechs Jahre auf dem Sterbebett lag, vernehmen wir nun wieder Lebenszeichen. Dass ausgerechnet die Grundschule für diese positive Nachricht sorgt, wundert nicht. Weil Mustafa hier noch neben Hans sitzt und das Arbeiterkind neben der Doktorentochter, sind moderne Unterrichtsmethoden und individuelle Förderung notwendiger Alltag. Zugute kommt das allen Kindern. Dennoch zeigt die fehlende Chancengleichheit beim Übergang auf die weiterführende Schule, dass an den Behandlungsmethoden weiter gearbeitet werden muss.