Donnerwetter im Sommer der Liebe
Kirche: Heute vor 40 Jahren reagierte der Vatikan mit der Enzyklika „Humanae Vitae“ auf die Pille. Damit wurde das Verbot für Katholiken bekräftigt, Verhütungsmittel zu benutzen.
Rom. Es war der heiße Sommer der Studentenrevolte 1968. "Make love, not war", so hieß eine der Losungen der aufmüpfigen Jugend. Die Pille zur Verhütung gab es seit ein paar Jahren - sie versprach Frauen eine sexuelle Befreiung ohne Grenzen. In das muntere Treiben in den Hippie-Zirkeln schlug dann ein päpstliches Donnerwetter ein: Mit seiner Enzyklika "Humanae Vitae" versuchte Papst Paul VI. einen Damm gegen jede Form künstlicher Empfängnisverhütung zu bauen. Sein Lehrschreiben löste in den so "aufgeklärten" 1960er Jahren einen Sturm der Entrüstung aus.
Ist das jetzt Geschichte aus grauen, wenn auch turbulenten Zeiten, nachdem vor allem Aids im Jahrzehnt darauf die Angst in viele Schlafzimmer zurückgebracht hat? Mitnichten, sagt Benedikt XVI. zu dieser aus seiner Sicht auch nach vier Jahrzehnten doch "unverändert wahren" Enzyklika vom 25. Juli 1968. Er würdigt "die Wahrheit und Weisheit" des Kirchendokuments. Denn wie Vorgänger Johannes Paul II. setzt der deutsche Pontifex den Kampf gegen Empfängnisverhütung mit allen Mitteln fort. Und er prangert eine "Sexualität als Droge" an, "die den Partner eigenen Sehnsüchten und Interessen unterwirft." Ein Plädoyer gegen flüchtige, fragwürdige Gefühle und für die Würde.
Die "Pillen-Enzyklika" von PaulVI. - kaum ein Dokument von Rang aus dem Vatikan dürfte so sehr in der Luft zerrissen und dabei so wenig gelesen worden sein. Den Heranwachsenden des Pillen-Zeitalters schrieb das Kirchenoberhaupt ein Verbot direkter Empfängnisverhütung ins Stammbuch. Der Vatikan machte eine "natürliche" Ausnahme: Paul VI. erlaubte es "Eheleuten", "sich in fruchtbaren Zeiten - des weiblichen Zyklus - des ehelichen Verkehrs zu enthalten". Als klare Bedingung dafür wird genannt, "dass aus berechtigten Gründen keine weiteren Kinder mehr wünschenswert sind." Auf gut Deutsch: Sex an "ungefährlichen Tagen" ist ein Zeichen von Treue und Liebe, auch ohne die Fortpflanzung.
In den Chor der Kritiker stimmten auch die deutschen Oberhirten mit ein, die in der "Königsteiner Erklärung" Fragezeichen hinter das Lehrschreiben setzten und zum Leidwesen des Vatikans den praktischen Umgang mit den päpstlichen Vorschriften dem Einzelnen zu überlassen schienen. Eine 68er Revolution der Bischöfe gegen den Papst? Nicht nur Aids, auch die demografische Entwicklung hat später dann doch einiges verändert. Es gab den "Pillen-Knick". Die Deutschen werden immer weniger.
Die "Königsteiner Erklärung" dürfe keinesfalls zurückgenommen werden, hält die Reformbewegung "Wir sind Kirche" zum Jubiläum der "Pillen-Enzyklika" fest und kritisiert, dass diese "jetzt sogar noch vom Papst ohne Wenn und Aber bekräftigt worden ist". Immerhin sei Paul VI. damals dem Votum einer Minderheit gefolgt. Aids und die rasant zunehmende Weltbevölkerung verlangten bessere Antworten als striktes Kondomverbot und den bloßen Appell zur Enthaltsamkeit.