Europäische Union lässt Irak-Flüchtlinge warten

Analyse: Innenminister der EU vertagen die Entscheidung über eine gemeinsame Initiative.

Brüssel. Soll Europa mehr Flüchtlinge aus dem Irak aufnehmen, vor allem Christen? Über diese Frage ist ein heftiger Streit entbrannt. Rund zwei Millionen Menschen leben in den Lagern in Syrien und Jordanien - unter schwierigsten Bedingungen. Viele davon sind Christen, die im Irak verfolgt und bedroht werden.

Ihnen will Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) helfen. Immer wieder hatte er deshalb für eine europäische Initiative zur Aufnahme der Flüchtlinge geworben, unterstützt auch von den Kirchen in Deutschland. Doch gestern vertagten die EU-Innenminister in Brüssel eine Entscheidung auf September; eine schnelle Lösung des Flüchtlingsdramas ist nicht in Sicht.

Vor einigen Tagen hatte sich der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki (Foto) in die Diskussion eingeschaltet und die Deutschen um einen Aufschub in der Frage gebeten: Die Christen zählten zur oberen Bildungsschicht und seien wichtig für den Aufbau des Landes, hieß es.

Schäuble hat inzwischen aber noch ein anderes Problem: Er braucht den Rückhalt der Bundesländer, die für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig sind. Doch vor allem Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) meldete Bedenken an: Schäuble habe seinen Plan - anders als vorher angekündigt - auf Flüchtlinge ausgedehnt, die außerhalb des Iraks in Lagern lebten. Das sei aber aus Gründen der inneren Sicherheit problematisch. Irakische Terroristen könnten den legalen Transfer nach Deutschland und in andere europäische Staaten dazu nutzen, ihre Leute einzuschleusen.

Ein Sprecher von Nordrhein-Westfalens Innenminister Ingo Wolf (FDP) bezeichnete die Reaktionen des Niedersachsen hingegen als übertrieben: "Wir unterstützen den Vorschlag von Bundesinnenminister Schäuble, setzen aber auf eine europäische Lösung." Auch Thüringens Innenminister Manfred Scherer (CDU) betont: "Ich sehe die Notwendigkeit für die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Irak."

Nach wie vor ist unklar, wie viele Flüchtlinge Schäuble überhaupt zusätzlich aufnehmen will. Konkrete Zahlen nannte er auch gestern nicht. Schon jetzt kommen jeden Monat 600 bis 700 Iraker nach Deutschland. Das soll auch vorerst weiter so bleiben, versicherte Schäuble. Kirchen und Menschenrechtsorganisationen reicht das bei weitem nicht. "Nach wie vor werden religiöse und ethnische Minderheiten von bewaffneten Gruppen mit dem Tod bedroht", kritisierte Ruth Jüttner von Amnesty International. Dass die EU ihre Entscheidung über gezielte Hilfe für die Flüchtlinge vertagt, sei falsch und gefährlich.