Ehegattensplitting für Homosexuelle: Karlsruhe lässt die Opposition jubeln
SPD, Grüne und selbst der Koalitionspartner FDP sehen die Union als Verlierer. CDU und CSU müssen nun erneut ihren Kurs bei der Gleichstellung Homosexueller korrigieren.
Berlin. Die Opposition triumphiert: Nach dem jüngsten Urteil aus Karlsruhe müssen eingetragene Lebenspartnerschaften von Schwulen und Lesben nun auch im Einkommensteuerrecht mit Ehepaaren gleichgestellt werden. CDU und CSU hatten das stets abgelehnt. Volker Beck, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, konnte sein Glück kaum fassen: „Ich bin überglücklich, weil unsere Strategie, gleiche Pflichten für Lebenspartnerschaften zu begründen und die entsprechenden Rechte notfalls in Karlsruhe zu erstreiten, voll aufgegangen ist“, sagte der bekennende Homosexuelle unserer Zeitung.
Die Union habe sich mit ihrem Beharren auf der steuerrechtlichen Ungleichheit zwischen Ehen und Lebenspartnerschaften „völlig blamiert“. Ähnlich argumentierte auch SPD-Fraktionsvize Joachim Poß: „Das ist der erwartete Tritt gegen die gesellschaftspolitische Blindheit und Inkompetenz der Union.“ Das Urteil der FDP über den Koalitionspartner fiel ebenfalls drastisch aus. Parteigeneralsekretär Patrick Döring sprach von einem „Schuss vor den Bug der Union, die sich in dieser Frage als Blockierer erwiesen hat“.
Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht in den politischen Dauerstreit um die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare schon mehrfach eingegriffen. Und stets zog die Union dabei mit ihrer Auffassung, die Ehe weiter zu privilegieren, den Kürzeren. Erst im Februar stärkte Karlsruhe das Adoptionsrecht von Lesben und Schwulen. Und in den Jahren 2012 und 2010 hatten die obersten Richter Benachteiligungen homosexueller Paare bei der Grunderwerbs- und Erbschaftssteuer als verfassungswidrig eingestuft.
So war es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, dass Karlsruhe auch die Ungleichbehandlung im Einkommensteuerrecht kippen würde. Doch obwohl es nicht an warnenden Stimmen aus den eigenen Reihen mangelte, sprach sich die CDU noch im letzten Dezember auf ihrem Bundesparteitag mit Zwei-Drittel-Mehrheit gegen eine steuerliche Gleichstellung der Homo-Ehe aus.
Dieser Beschluss ist nun praktisch Makulatur. Nach dem aktuellen Karlsruher Urteil muss das Ehegattensplitting auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften ausgeweitet werden. Bislang war für sie nur eine steuerliche Einzelveranlagung möglich. Im Vergleich zu den Ehen sind Lebenspartnerschaften dadurch um im Schnitt rund 1300 Euro im Jahr benachteiligt.
Nach Einschätzung von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kann den Vorgaben aus Karlsruhe noch bis zur Bundestagswahl durch ein „schlichtes Gesetz“ entsprochen werden. Die gleiche Auffassung war am Donnerstag auch aus dem Bundesfinanzministerium zu hören. Sein Hausherr Wolfgang Schäuble (CDU) hatte sich erst kürzlich für ein Familiensplitting ausgesprochen, das Kinder besser steuerlich berücksichtigt — egal, ob sie bei homosexuellen oder heterosexuellen Paaren leben.