Ein unblutiges „Schachmatt“

Militär: Mit einer List gelang es, Ingrid Betancourt und 14weitere Geiseln zu befreien.

Bogotá. "Das war perfekt", sagte die frühere kolumbianische Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt nur Stunden nach ihrer spektakulären Befreiung aus mehr als sechsjähriger Geiselhaft bei den Farc-Rebellen. Ohne einen Schuss abzufeuern war es einer Sondereinheit des Militärs gelungen, nicht nur die wohl bekannteste Geisel der Welt, sondern auch drei US-Amerikaner und elf Kolumbianer aus den undurchdringlichen Dschungeln im Süden Kolumbiens zu befreien und die örtlichen Rebellen-Kommandanten gleich noch mit festzunehmen. Dabei machten sie sich die zunehmende Schwächung der einst mächtigsten und ältesten Rebellengruppe Kolumbiens zunutze.

Der oberste Militär Kolumbiens, General Mario Montoya, beschrieb bei einer nächtlichen Fernseh-Übertragung aus dem Präsidentenpalast in Bogotá Einzelheiten der Aktion, die zunächst den Namen "Schach" trug. Den Geheimdiensten des Landes sei es nicht nur gelungen, Agenten in die Reihen der Rebellen einzuschleusen, sondern vor allem auch die Kommunikationswege zwischen den einzelnen Guerilla-Gruppen zu infiltrieren.

So sei es möglich gewesen, dem Kommandanten der Bewacher-Gruppe, einem gewissen "Cesar", Anweisungen zuzuspielen, die dieser für Befehle der nächst höheren Kommandoebene gehalten habe, erläuterte Montoya weiter.

Die Rebellen haben nach Angaben von Experten kaum noch Möglichkeiten, sich untereinander abzusprechen, weil sie durch die Benutzung zum Beispiel von Satellitentelefonen für die inzwischen bestens ausgerüsteten Streitkräfte zu orten sind.

Als es dem Geheimdienst gelungen war, den Rebellen falsche Nachrichten unterzuschieben, veranlassten sie zunächst, dass die Bewacher die in drei Gruppen aufgeteilten Geiseln zusammenzogen und an einen Sammelplatz 150 Kilometer weiter nördlich brachten, berichtete Montoya weiter. Dann machten sie ihnen weis, dass der neue Farc-Chef Alfonso Cano angeordnet habe, die Geiseln mit Hubschraubern einer regierungsunabhängigen Organisation zu einem Treffen mit einer internationalen Kommission zu fliegen.

Für die Geiseln war es ein Wechselbad der Gefühle mit Happy End. Ihnen sei am Morgen der Befreiung von ihren Bewachern mitgeteilt worden, sie würden zu einer internationalen Kommission geflogen. Als dann ein weiß angestrichener Hubschrauber ohne Hoheitszeichen im Dschungel landete, rutschte Betancourt und ihren Leidensgenossen nach eigenen Worten das Herz in die Hose. Aus der Maschine stiegen "merkwürdige" Gestalten, die gar nicht nach einer humanitären Organisation aussahen. "Die hatten Che-Guevara-Hemden an und sahen eher wie Rebellen aus", erzählte sie.

Als Begleiter durften nur "Cesar" und ein weiterer Farc-Kommandant mitfliegen. In der Luft schafften es die vermeintlichen Mitglieder der humanitären Organisation - bei denen es sich in Wirklichkeit um Spezialkräfte des Militärs handelte - sogar noch, die beiden Rebellen zur freiwilligen Abgabe ihrer Waffen zu überreden. Kaum hatten die beiden ihre Waffen übergeben, wurden sie überwältigt und der Kommandant der Aktion brüllte: "Wir sind von den nationalen Streitkräften. Sie sind befreit."

Danach wäre die Maschine nach Worten von Betancourt fast abgestürzt, so heftig sprangen die völlig überraschten Geiseln vor Freude über die unverhoffte Befreiung in der kleinen Maschine herum. Montoya taufte die Aktion von da an um - in "Schachmatt".