Eherecht: Merkwürdige Revolution in Weiß

Ist die „Hochzeit ohne Trauschein“ ein gesetzlicher Irrtum?

Berlin. Theoretisch wäre es einem Bundesbürger bald möglich, zwei Ehen mit unterschiedlichen Partnern zu führen, eine kirchliche und eine zivilrechtliche Ehe.

Denn ab dem kommenden Jahr dürfen Paare kirchlich heiraten, ohne zuvor die Ehe vor dem Standesamt geschlossen zu haben. Diese Merkwürdigkeit ermöglicht ein Gesetz aus dem Jahr 2007, das weithin unbemerkt verabschiedet wurde und zum 1. Januar wirksam wird.

Bei der Reform des Personenstandsgesetzes wurden im Februar 2007 die Paragraphen 67 und 67a gestrichen. Warum, weiß keiner so genau. Einige Politiker vermuten ein Versehen. Eine Erklärung, sagt etwa Innenexperte Dieter Wiefelspütz (SPD), habe er dafür nicht.

Die beiden Paragraphen regeln ein seit 1875 geltendes Recht, nach dem grundsätzlich die Trauung vor dem Altar ohne vorangegangene Eheschließung vor dem Standesamt verboten ist. Bei Zuwiderhandlung drohten Priestern früher Strafen, seit 1953 gilt ein Verstoß als Ordnungswidrigkeit.

Zwar ist auch in Anbetracht vielfältiger moderner Lebensentwürfe fraglich, ob besonders viele Menschen zwei Ehen mit zwei Partnern führen wollen. Aber künftig stehen beide Ehen vollkommen unabhängig nebeneinander, wie auch das Bundesinnenministerium bestätigt. Allerdings folgten nur aus der Zivilehe rechtliche Wirkungen für die Ehepartner. Übersetzt: Ohne Standesamt kein Unterhaltsanspruch, Erbrecht oder Zugewinnausgleich.

Womöglich wird es aber weder bei der evangelischen noch bei der katholischen Kirche in Deutschland zur Ehe ohne Trauschein kommen. Bei der evangelischen Kirche ist die Trauordnung Ländersache. Die Evangelische Kirche im Rheinland erklärte, man werde wohl weiter verfahren wie bisher, also keine kirchlichen Trauungen ohne den Nachweis vom Standesamt vollziehen.

Man schließe sich der Begründung der evangelisch-reformierten Kirche an: Es gehe nicht darum, zwei Menschen miteinander zu verheiraten, sondern darum, ihnen den Segen Gottes für die Ehe zuzusprechen.

Die katholischen Kirche, die die Ehe als heiliges Sakrament versteht, hat bis in die Gegenwart Anstoß an den als Zwangsvorschrift empfundenen Paragraphen genommen.

Bei der Deutschen Bischofskonferenz heißt es, man sei "nicht unzufrieden" mit der neuen Rechtslage. Allerdings berate die Bischofskonferenz noch über die künftige Praxis. Angestrebt sei eine einvernehmliche Vorgehensweise.