Sarkozy verärgert EU-Kommison

Bei der Kritik an Handelskommissar Mandelson habe der französische Präsident falsche Zahlen verwendet.

Paris/Brüssel (dpa). Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy hat gleich zu Beginn seiner Ratspräsidentschaft die EU-Kommission verärgert. Handelskommissar Peter Mandelson kritisierte am Dienstagabend in einem Interview des britischen Fernsehsenders BBC, Sarkozys Vorwürfe gegen ihn schwächten die Position der EU bei den Welthandelsgesprächen.

Am Mittwoch erklärte die Kommission in Brüssel, der französische Präsident verwende in seiner Kritik an Mandelson falsche Zahlen. Der britische Kommissar hatte bereits beim Antrittsbesuch der Kommission in Paris am Dienstagabend nicht an einem festlichen Abendessen teilgenommen.

Der neue Ratsvorsitzende Sarkozy hat dem Briten vorgeworfen, er sei in den Verhandlungen bei der Welthandelsorganisation WTO bereit, trotz des Hungers in der Welt die europäische Agrarproduktion um gut ein Fünftel zu senken. Dadurch würden 100 000 Jobs verloren gehen.

Zuvor war Sarkozy bereits soweit gegangen, Mandelson eine Mitschuld am Nein der Iren zum EU-Reformvertrag von Lissabon zuzuweisen. Frankreich hat am Dienstag turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft von Slowenien übernommen. Damit führt Paris für die kommenden sechs Monate die Amtsgeschäfte der Gemeinschaft.

"Diese Zahl von 20 Prozent, über die in der Öffentlichkeit geredet wurde, ist total falsch", sagte ein Kommissionssprecher. Die Zahl gründe sich auf einen Vorschlag der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20). "Wir haben dem nicht zugestimmt, und wir werden niemals allen Forderungen der G20 zustimmen."

Mandelson betonte in der BBC, Sarkozys Äußerungen belasteten seine Position in den WTO-Gesprächen. "Das ist sehr bedauerlich, denn das Mandat, mit dem ich in den Welthandelsgesprächen auftrete - und mit dem ich für Europa um einen erfolgreichen Abschluss ringe - ist so von allen Mitgliedsländern bestätigt worden."

Unterdessen sind in einigen Mitgliedsländern die Diskussionen über die Ratifizierung des EU-Reformvertrages wider aufgeflammt. In Polen kündigten die pro-europäischen Kräfte im Parlament an, den euroskeptischen Staatspräsidenten Lech Kaczynski zu einer schnellen Ratifizierung des Lissabon-Vertrags drängen zu wollen.

Die Parteien der Koalition hätten einen entsprechenden Resolutionsentwurf vorbereitet, sagte der Fraktionschef der Bürgerplattform, Zbigniew Chlebowski, in Warschau. Kaczynski hatte am Dienstag angekündigt, den neuen EU-Vertrag nicht zu ratifizieren, solange die Iren ihre Meinung nicht änderten.

Irland hatte den Lissabon-Vertrag in einem Referendum abgelehnt und Europa damit in eine Krise gestürzt. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen auf ihrem Oktober-Gipfel über einen Ausweg beraten. Die neue Rechtsgrundlage, die die EU demokratischer und handlungsfähiger machen sollte, kann nur in Kraft treten, wenn alle EU-Länder sie ratifiziert haben.

Auch in Deutschland und Tschechien liegt die Ratifizierung auf Eis, da jeweils Entscheidungen der Verfassungsgerichte anstehen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich überzeugt, dass der EU-Vertrag vor den Karlsruher Richtern Bestand haben werde.

Er sei im Einklang mit dem Grundgesetz, sagte Steinmeier der "Bild"-Zeitung. "Für mich bleibt der Vertrag von Lissabon die beste Grundlage für ein starkes Europa, das sich in der Welt behauptet - deswegen müssen wir ihn erhalten. Daran arbeitet die neue französische EU-Präsidentschaft mit Hochdruck, unsere volle Unterstützung hat sie."

In Schweden hat die Verzögerung bei der Ratifizierung des EU- Reformvertrages innenpolitischen Streit ausgelöst. Während die Regierung in Stockholm weiter auf eine Abstimmung im Reichstag im Herbst setzt, verlangte die sozialdemokratische Opposition (SAP) am Mittwoch erstmals "besondere Vorsicht" beim Ratifizierungsprozess. Als nächstes Land will Zypern am Donnerstag den Vertrag von Lissabon im Parlament verabschieden.