Analyse: Die plötzliche Liebe der Grünen zu Herrn Koch

Ein Flirt mit der CDU soll zeigen: Auf den traditionellen Partner SPD ist man nicht angewiesen.

Wiesbaden. Während Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti in Frankreich Entspannung sucht, setzt sie ihr Wunschkoalitionspartner unter Druck: Immer ungeduldiger fordern die Grünen eine Entscheidung, ob Ypsilanti nach der ersten Pleite noch einen Anlauf zur Ablösung von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) wagen wird - verbunden mit dem Hinweis, dass man es andernfalls ja mit der CDU versuchen könne, die seit der Landtagswahl im Januar ebenfalls ihr Herz für die Grünen entdeckt hat.

"Es spricht nichts mehr gegen ein schwarz-grünes Bündnis in Hessen", so der frühere Grünen-Landesvorsitzende Evelin Schönhut-Keil. Ähnlich äußert sich Amtsvorgänger Hubert Kleinert. Eine Jamaika-Koalition mit Union und FDP sei "strategisch interessanter" als ein Ampelbündnis mit SPD und FDP: Bei der Ampel könnten die Liberalen die Inhalte bestimmen, bei Jamaika käme dagegen "den Grünen eine Schlüsselrolle zu".

Beides ist allerdings gleichermaßen unwahrscheinlich. Die FDP ist zu einer Ampel nicht bereit, und bei den Grünen sieht es in Sachen Jamaika bislang nicht anders aus. Für ein Bündnis mit der Union sei "die Akzeptanz in der Partei und auch in der Wählerschaft schon sehr gering", sagt der grüne Kommunalpolitiker Karsten McGovern, der in seinem Kreis Marburg-Biedenkopf seit sieben Jahren mit der Union zusammenarbeitet.

In Hessens Hauptstadt Wiesbaden herrscht ein Jamaika-Bündnis Kein Einzelfall: Hessens Wirtschaftszentrum Frankfurt wird schwarz-grün regiert, und in der Landeshauptstadt Wiesbaden herrscht im Rathaus ein Jamaika-Bündnis. Auf Landesebene wird ein solcher Weg nach McGoverns Ansicht aber frühestens möglich, wenn endgültig gescheitert ist, was laut Ypsilanti derzeit "auf Eis liegt" - eine rot-grüne Machtübernahme mit Hilfe der Linken.

Diesen - vor der Landtagswahl ausgeschlossenen - Plan hatte die SPD-Chefin im März abblasen müssen, weil die Abgeordnete Dagmar Metzger nicht mitspielte. So blieb Koch als geschäftsführender Ministerpräsident im Amt, während SPD, Grüne und Linke im Landtag gemeinsam Beschlüsse fassen und Gesetze verabschieden.

Für McGovern ist das auf die Dauer zu wenig: "Jeder weiß, dass es am Ende nicht viel hilft, wenn man im Parlament Anträge durchsetzt. Es kommt darauf an, dies in Regierungshandeln umzusetzen." Die SPD müsse deshalb zügig ihre "Regierungsfähigkeit" klären.