EU-Wahl untermauert konservativen Parlamentskurs

Brüssel/London/Hamburg. Die Wähler in den 27 EU-Ländernhaben den Kurs des Europaparlamentes mit seiner konservativ-liberalenMehrheit untermauert. Die konservativen und christdemokratischenParteien gingen als klare Wahlsieger aus dem viertägigenAbstimmungsmarathon hervor.

Auch die Grünen konnten zulegen.DieSozialisten wurden wie etwa in Großbritannien und Frankreich teils herbabgestraft.

Das Wahlergebnis macht auch eine zweite Amtszeit desportugiesischen Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso sehrwahrscheinlich. Die Sozialisten unter ihren deutschen FraktionschefMartin Schulz (SPD) hatten sich zum Ziel gesetzt, dies zu verhindern.

Der viel beachtete Ausgang der Wahlen in Irland hat die Hoffnung aufein baldiges Inkrafttreten der EU-Reformverträge von Lissabon mit unteranderem stärkeren parlamentarischen Befugnissen gestärkt. Der extremeuropakritische Geschäftsmann Declan Ganley hat mit seinerLibertas-Partei den Sprung ins Parlament nach ersten Auszählungenverpasst, ficht das Ergebnis jedoch an. Er hatte angekündigt für denFall seines Scheiterns auch seine Kampagne gegen den Reformvertrageinzustellen.

Irlands Bevölkerung hatte in einem Referendum dieLissabon-Verträge, für deren Inkrafttreten EU-weit alle Mitgliedsländerzustimmen müssen, gekippt. Inmitten der Wirtschaftskrise hat sich dieStimmung in der Bevölkerung jedoch laut Umfragen vor einem geplantenzweiten Referendum im Herbst inzwischen gedreht.

Die Wahl litt unter einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung. Mit43,55 Prozent lag sie noch einmal deutlich unter dem bisherigenNegativrekord von 45,5 Prozent aus dem Jahr 2004. Etwa in der Slowakeiging nicht einmal jeder fünfte Wahlberechtigte an die Urne.

Diekonservative Europäische Volkspartei (EVP), der aus Deutschland auchCDU und CSU angehören, wird künftig mit einem Stimmanteil von 36,3(2004: 36,6) Prozent 267 der 736 Europaabgeordneten stellen. DieSozialisten, die europaweit sechs Prozentpunkte auf 21,6 Prozenteinbüßten, kommen noch auf 159 Mandate. Fraktionschef Schulz sagte: „Eswar ein bitterer Abend.“

In Großbritannien geriet die Europawahl zu einem Desaster für dieregierende Labour-Partei des politisch schwer angeschlagenenPremierministers Gordon Brown. Sie fuhr nach vorläufigen Ergebnissenihr schlechtestes Resultat seit dem Ersten Weltkrieg ein und kam nurnoch auf 15,3 Prozent der Stimmen. Labour wurde damit nur nochdrittstärkste Kraft auf der Insel hinter den konservativen Tories undder europafeindlichen Partei (UKIP). Brown erklärte am Sonntag, erwolle trotz der schweren Zeiten im Amt bleiben.

Auch in vielen anderen Ländern nutzten die Wähler die Europa-Abstimmung, um ihren nationalen Regierungen einen Denkzettel zuverpassen. Niederlagen der Regierungsparteien wurden aus unter anderemaus Spanien, Österreich, den Niederlanden, Irland und Bulgariengemeldet.

In großen EU-Ländern wie Deutschland, Frankreich, Polen undItalien wurden die regierenden Parteien dagegen - wenn auch mitEinbußen - bestätigt. Auch hier hatten aber vor allem nationale Themenein Rolle gespielt. In Italien wurde der Wahlkampf praktischausschließlich von den angeblichen amourösen Eskapaden deskonservativen Regierungschefs Silvio Berlusconi geprägt - die Vorwürfeschadeten ihm kaum.

In mehreren Ländern, unter ihnen die Niederlande, Dänemark, Österreich,Ungarn, Finnland und Rumänien kam es zu einem teils heftigenRechtsruck. In Österreich gewann neben den beiden Rechts- Parteien FPÖund BZÖ auch die Liste des erbitterten Europakritikers Hans-PeterMartin. Kommissionspräsident Barroso rief die Politiker in denEU-Mitgliedsstaaten dazu auf, sich stärker auch als europäische Akteurezu identifizieren.

Die nationale „Selbstzufriedenheit“ müsse aufhören,forderte er auch angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung. FrankreichsPräsident Nicolas Sarkozy kündigte noch vor dem EU-Gipfel am 18. und19. Juni neue europapolitische Impulse an. „Der Präsident wird in denkommenden Tagen Initiativen ergreifen, die neue Baustellen eröffnen“,kündigte der Elysée-Palast am Montag an.