Erst am Anfang Das Geständnis des Stephan E. und die rechte Gefahr

Berlin · Nun hat die Republik Gewissheit, dass sich mit dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke tatsächlich eine neue Qualität verbindet. Stephan E. hat gestanden.

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Er will den Repräsentanten des Staates getötet haben wegen seiner humanen Einstellung zur Flüchtlingspolitik, weil sich Lübcke für Toleranz und gegen eine Ideologie der Ausgrenzung starkgemacht hat. Ein rechtsextremistisches Fanal war die Tat. Gesetzt mit einem Kopfschuss.

Der Mord ist freilich nur der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Serie von schrecklichen Verbrechen, die Rechtsextreme in den letzten Jahrzehnten begangen haben. Vor allem das Terrortrio des NSU hat eine Spur des Todes in Deutschland hinterlassen. Die Opfer waren keine Politiker, sondern Mitbürger von nebenan mit ausländischer Herkunft. Wer sich mit diesem Fall etwas beschäftigt hat, der weiß, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe keine einsamen Wölfe waren, sondern von einem breiten Unterstützer- und Sympathisantenkreis getragen wurden. Es gab Mitwisser und braune Gesinnungsgenossen. Wenn Stephan E. daher behauptet, er sei ein Einzeltäter gewesen, dann mag das vielleicht juristisch zutreffen, weil nur er die Waffe gehalten und abgedrückt hat. Aber politische Morde geschehen nicht einfach so.

Für solche Taten muss ein Nährboden da sein. Das ist das Perfide. Und blickt man auf die Vorgeschichte des Täters, auf seine Verwurzelung in der rechtsextremen, gewaltbereiten Szene, dann muss man nur eins und eins zusammenzählen. Selbst wenn er eine Zeitlang von der Bildfläche verschwunden war. Ein Netzwerk, und sei es auch nur eine ideologische Bewegung, steckt immer auch dahinter und hat somit zum Mord an Lübcke beigetragen. Stephan E. war zudem aktiv und im Visier, während der NSU mordete. In Kassel und in Dortmund. Insider sehen da bereits eine mögliche Verbindung.

Das alles muss nun weiter intensiv aufgeklärt werden. Die Ermittlungen stehen erst am Anfang. Man kann nur hoffen, dass die Behörden die alten Fehler nicht wiederholen, dass sie aus den vielen, eklatanten Versäumnissen bei den Ermittlungen zur NSU-Mordserie gelernt haben. Jedenfalls wurde in der Folge die Zusammenarbeit der Dienste verbessert und ihr Blickfeld auf den Rechtsextremismus erweitert. Man ist auf dem rechten Auge nicht mehr gänzlich blind. Nachjustiert werden muss dennoch permanent. Konkret bei der Analysefähigkeit der Dienste und dem Umgang mit den Herausforderungen der sozialen Netzwerke. Auch Rechte organisieren sich nämlich inzwischen digital und nicht mehr nur konspirativ in irgendwelchen Hinterzimmern. Und die Täter hinterlassen keine Bekennerschreiben mehr.

Eines ist klar: Die Gefahr von rechts ist so groß wie nie. Hemmschwellen sind gesunken, die Radikalisierung scheint immens, wodurch die Bedrohung für die freiheitliche und offene Gesellschaft fundamental werden könnte. In der Politik macht sich diese Erkenntnis jetzt endlich breit. Beim Bürger auch?