Kampagne gegen Israel Boykott-Aufruf für israelische Waren - Ist die BDS-Bewegung antisemitsch?
Düsseldorf · Die Aufrufe zum Boykott israelischer Waren, Dienstleistungen, Künstler oder Wissenschaftler sorgen immer wieder für Aufsehen. Der Bundestag hat sich eindeutig positioniert.
BDS – das Kürzel und die dahinter stehende Bewegung macht dieser Tage viel von sich reden: Veranstaltungen werden gesprengt oder abgesagt, weil Unterstützer der BDS-Bewegung als Referenten oder Künstler auftreten sollen und sich eben dagegen Widerstand regt. Zuletzt war das beim Evangelischen Kirchentag in Dortmund der Fall, wo eben deshalb eine Diskussionsrunde ausfiel. Und eben erst ist der Direktor des Jüdischen Museums in Berlin, Peter Schäfer, zurückgetreten. Auslöser war ein Tweet des Museums mit einer Leseempfehlung eines Artikels zur BDS-Kampagne. Darin hatten jüdische und israelische Wissenschaftler kritisiert, dass der Bundestag den BDS als antisemitisch eingestuft hatte. Gut in Erinnerung ist auch die Absage von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) im vergangenen Jahr bei der Ruhrtriennale, wo es ein Hin und Her um die Teilnahme einer Band gab, die sich für die BDS-Bewegung einsetzt. Und in Düsseldorf sah sich der Veranstalter des im Juli stattfindenden Musikfestivals „Open Source“ gezwungen, einen New Yorker Rapper wegen dessen BDS-Engagement wieder auszuladen.
BDS steht für „Boycott, Divestment and Sanctions“: Boykott, Kapitalabzug und Sanktionen fordert die Bewegung – und zwar mit Blick auf Israel. Dieser Boykott richtet sich gegen israelische Waren und Dienstleistungen, israelische Künstler, Wissenschaftler und Sportler. Und ganz konkret wird zum Boykott etwa des Sportartikelherstellers Puma, des PC- und Druckerherstellers Hewlett Packard oder des Versicherungskonzerns Axa aufgerufen, weil diese, so der Vorwurf, die israelische Siedlungspolitik unterstützten.
Dabei taucht bei den Vorwürfen auch immer wieder das Wort Apartheid auf. Israel wird als Apartheidsstaat gesehen, vergleichbar mit dem einstigen Apartheitsregime Südafrika. Apartheid in diesem Zusammenhang stand für die erst mit Nelson Mandela in den 1990er Jahren beendete systematische Unterdrückung der nicht weißen Bevölkerungsmehrheit durch eine weiße Minderheit. Diese Unterdrückung setzt die BDS-Bewegung gleich mit der Behandlung palästinensischer Bürger in Israel, im Westjordanland und im Gazastreifen durch den israelischen Staat.
BDS ist keine feste Organisation. Olga Deutsch, Expertin für das Thema beim NGO-Monitor, der Analysen über NGOs (nicht-regierungsabhängige Organisationen) erstellt, sagte gegenüber der Deutschen Welle: „Es ist eine Organisation ohne klare Strukturen. Sie funktioniert in jeder Hinsicht dezentral. Eine Person kann einfach entscheiden, eine Veranstaltung zu machen. Und manche von diesen Personen sprechen dem jüdischen Volk dann das Selbstbestimmungsrecht ab.“
20 deutsche Organisationen sollen BDS unterstützen
BDS ist getragen von 170 palästinensischen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Auf der deutschen Internetseite der Kampagne werden mehr als 20 Organisationen wie etwa die Marxistisch Leninistische Partei Deutschlands oder die Palästinensische Gemeinde Deutschlands sowie zwei Einzelpersonen aufgeführt, „die dem deutschlandweiten BDS-Aufruf folgen“. International bekanntester Protagonist dürfte der frühere Pink-Floyd-Musiker Roger Waters sein.
Spätestens seit einem am 17. Mai von einer großen Mehrheit (Union, SPD, FDP, Grüne) im Bundestag angenommenem Antrag, der die Boykottaufrufe des BDS scharf verurteilt, haben es Veranstalter noch schwerer, Künstler oder Redner auf ihren Podien zu dulden, ohne sich selbst dem Verdacht der Unterstützung oder Duldung des Antisemitismus auszusetzen. In dem Beschluss des Bundestags heißt es: „Die Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Bewegung sind antisemitisch. Die Aufrufe der Kampagne zum Boykott israelischer Künstlerinnen und Künstler sowie Aufkleber auf israelischen Handelsgütern, die vom Kauf abhalten, erinnern zudem an die schrecklichste Phase der deutschen Geschichte.“ Äußerungen und Übergriffe, so stellen die Politiker fest, würden als vermeintliche Kritik an der Politik des Staates Israel formuliert, seien tatsächlich aber Ausdruck des Hasses auf jüdische Menschen und ihre Religion. Durch eine besondere historische Verantwortung sei Deutschland der Sicherheit Israels verpflichtet. „Die Sicherheit Israels ist Teil der Staatsräson unseres Landes“, heißt es in der Resolution.
Für die Union begründete deren Abgeordneter Axel Müller in der Debatte um den Antrag die Brisanz der Aussagen des BDS speziell aus deutscher Perspektive: „Wir erinnern uns – hoffentlich – an die vielen hasserfüllten Bilder aus dem Dritten Reich, auf denen Schilder mit der Aufschrift ,Deutsche! Kauft nicht bei Juden!‘ zu sehen waren – ein erster Schritt auf dem Weg zum Völkermord. Diese sich aus unserer Geschichte ergebende unendliche Verantwortung gebietet es uns, alles zu unterlassen und zu unterbinden, was antisemitisch ist oder auch nur den Eindruck erweckt, antisemitisch werden zu können.“
Die BDS-Bewegung ihrerseits will am kommenden Freitag vor dem Parlament gegen die Resolution des Bundestags demonstrieren. Diese, so wird im Demonstrationsaufruf formuliert, markiere „das moralische Versagen der deutschen Regierung, sich mit dem realen und dringenden Problem von Israels anhaltenden Verstößen gegen die palästinensische Bevölkerung zu befassen“. Die BDS-Bewegung weise mit ihren Grundsätzen und Aktionen „alle Formen von Rassismus und Diskriminierung zurück, einschließlich Antisemitismus“, heißt es auf der deutschen Internetseite der Bewegung.